Seehofer schiebt den Marstall an

Sein Minister ist skeptisch, die Stadt mauert, doch der Ministerpräsident findet plötzlich den neuen Super-Konzertsaal für 120 Millionen Euro gut
von  Abendzeitung

Sein Minister ist skeptisch, die Stadt mauert, doch der Ministerpräsident findet plötzlich den neuen Super-Konzertsaal für 120 Millionen Euro gut

In die Diskussion um einen neuen Konzertsaal für München im alten Marstallgebäude neben der Residenz kommt Bewegung. Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) hat in ungewöhnlicher Deutlichkeit zu verstehen gegeben, dass er das mindestens 120 Millionen Euro teuere Projekt verwirklichen will. Damit fährt er auch seinem Kulturminister Wolfgang Heubisch (FDP) in die Parade, der mehrmals Bedenken wegen der Kosten geäußert hatte.

Seehofer bestätigte der AZ, dass er bei einem Treffen mit Mariss Jansons, Chefdirigent des BR-Symphonieorchesters und Marstall-Befürworter, mit diesem über „die große Chance für die Kunst- und Kulturstadt München“ einig gewesen sei. Seehofer: „Ich möchte dieses Projekt. Wir müssen jetzt alle Hebel in Bewegung setzen, um es möglich zu machen.“

Zukunftsfrage der Kultur in Bayern?

Der Neubau eines großen Konzertsaals in München wird seit Jahren diskutiert, weil die städtische Gasteig-Philharmonie ungelöste akustische Probleme aufweist und andere Städte wie Hamburg mit der künftigen Elbphilharmonie Münchens Spitzenplatz als Musikmetropole angreifen wollen. Vor allem Jansons und der frühere Finanzminister Kurt Faltlhauser beschwören immer wieder, beim Marstall ginge es um eine entscheidende Zukunftsfrage der Kultur in Bayern.

Münchens Stadtverwaltung fürchtet dagegen vor allem um die Auslastung des Gasteigs, wenn Jansons und sein Orchester im Marstall eine neue Heimat hätten. Zuletzt hatte Christian Thielemann, Generalmusikdirektor der städtischen Philharmoniker, davor gewarnt, beim Marstall „Millionen in den Sand zu setzen“ (AZ berichtete).

Nachdem das Projekt, zu dem es bislang nur einen Ideenwettbewerb gab, bereits tot zu sein schien, kommt der Vorstoß des Regierungschefs umso überraschender. Gerätselt werden kann nun, ob Seehofer die Kultur wirklich befördern will, oder ob er nur einen Weg sucht, um den Druck der Marstall-Lobby nach unten weiterzugeben.

"Die Sache solide angehen"

Seehofer: „Die zuständigen Ressorts sind nun angehalten zu prüfen, wie dieses anspruchsvolle Projekt unterstützt und realisiert werden kann.“ Auch dies kann als Seitenhieb auf Ressortminister Heubisch verstanden werden, über den aus CSU-Kreisen gerade verbreitet wird, es mangele ihm in Kabinettssitzungen manchmal an der nötigen Wachheit.

Heubisch sagte auf AZ-Anfrage, er habe seine Meinung nicht geändert: Ein optimaler Konzertsaal sei wünschenswert, aber man müsse „die Sache solide angehen“. Es gebe eine Reihe offener Fragen, „um deren Klärung ich mich gerade bemühe“.

Michael Grill

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