Schwere Schäden an Picassos «Guernica»
MADRID - Die Diagnose klingt besorgniserregend. «Der Patient ist schwer krank, sein Zustand ist ernst.» Die Rede ist nicht von einem Menschen, sondern von Pablo Picassos Bild «Guernica».
Das berühmte Anti-Kriegs-Gemälde weist eine Vielzahl von «Verletzungen» auf. Die Leinwand ist brüchig, die Farbschicht zeigt an vielen Stellen Risse. Dies ergab eine aufwendige Untersuchung, bei der die Experten des Madrider Königin-Sofía-Museums das riesige Werk mit modernsten Mitteln der Technik millimetergenau unter die Lupe nahmen.
Die Arbeiten an dem Gemälde, einem der bedeutendsten Kunstwerke der Welt, zogen sich über Monate hin. Die Auswertung wird frühestens im kommenden Jahr abgeschlossen sein. Der Chefkonservator des Museums, Jorge García Gómez-Tejedor, zog jedoch schon jetzt eine vorläufige Bilanz: «Der Zustand des Werkes ist stabil, solange man das Bild nicht von der Stelle bewegt. Seit der letzten Untersuchung vor zehn Jahren trat keine weitere Verschlechterung ein.»
Gewebe stark geschwächt
Nach Ansicht des Experten erweist sich damit die Politik der spanischen Regierung als richtig, das Werk nicht mehr auszuleihen und im Königin-Sofía-Museum zu belassen. «Das Gewebe der Leinwand ist stark geschwächt», schreibt Gómez-Tejedor in der Zeitung «El País». «Man weiß nicht, wie das Bild bei einem Transport auf Vibrationen reagiert. Bei einem "Guernica" sollte man kein Risiko eingehen.»
Japan hatte das Werk 1995 zum 50. Jahrestag der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki zeigen wollen, die Regierung des Baskenlands 1997 zur Eröffnung des Guggenheim-Museums in Bilbao und dann 2007 zum 70. Jahrestag der Bombardierung der baskischen Stadt Guernica durch die «Legion Condor» des Hitler-Regimes. Madrid lehnte jedoch alle Gesuche ab.
Das Gemälde, das mit seinen Maßen von 7,76 mal 3,49 Meter größer als ein Fußballtor ist, wurde für die Begutachtung mit einer komplizierten Hebevorrichtung von der Wand genommen und an einer Kontrastfläche befestigt. Die Experten fertigten von dem «Patienten» von oben bis unten Röntgenbilder an. Sie stellten nach Angaben von «El País» 129 Schadstellen fest, die auf die bewegte Zeit in den ersten Jahren nach der Entstehung des Bildes zurückgehen.
Aufschrei gegen Krieg und Gewalt
Picasso hatte das Werk 1937 während des spanischen Bürgerkriegs für die Weltausstellung in Paris gemalt. Er benötigte dazu weniger als zwei Monate. Das unter dem Eindruck der Bombardierung der Stadt Guernica entstandene Gemälde sollte ein Aufschrei gegen Krieg und Gewalt sein. Der Künstler unterließ es, sein Werk nicht mit einer Schutzschicht zu versehen. «Guernica» wurde im spanischen Pavillon der Weltausstellung aufgehängt, noch bevor die Ölfarben vollständig getrocknet waren.
Nach dem Sieg der Franco-Truppen im Bürgerkrieg wurde das Bild in die Obhut des New Yorker Museum of Modern Art gegeben. Es reiste kreuz und quer durch die Welt und wurde in unzähligen Städten in Amerika und Europa ausgestellt. Für jede Reise wurde es ein- und wieder ausgerollt - insgesamt mehr als 50 Mal. 1974 besprühte ein Attentäter das Bild mit Farbe. Nach dem Ende der Franco-Diktatur (1939-1975) kehrte es 1981 nach Spanien zurück.
"Wir Restauratoren können auch viel Unheil anrichten"
Eine Besserung des Zustandes wäre nur durch eine Restauration möglich. Davor schrecken die Verantwortlichen jedoch zurück. «Wir Restauratoren können auch viel Unheil anrichten», zitiert «El País» einen Experten. «Jede Restauration hat ihre Vor-, aber auch ihre Nachteile.» In New York war das Werk zweimal restauriert worden, beide Male mit Billigung Picassos. 1957 wurde auf der Rückseite eine Wachsschicht aufgetragen, die die Leinwand festigen sollte. 1962 wurde die Frontseite mit einem Film versehen, um die Ölfarben zu schützen. Dank dieser Schicht konnte die von dem Sprayer 1974 aufgesprühte Farbe fast vollständig abgewaschen werden.
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