Schwedische Nobeljury: Über Alice Munro liegt „ein Hauch von Genie“
Nach genau zwei Jahrzehnten geht der Literaturnobelpreis wieder über den Atlantik. Die Stockholmer Jury ehrte am Donnerstag die kanadische Kurzgeschichten-Meisterin Alice Munro. Was die 82-Jährige ausmacht und wieso die Auszeichnung in diesem Jahr auch ein Preis für ein Genre ist, erzählt der Ständige Sekretär der Jury, Peter Englund.
Wie würden Sie Alice Munro beschreiben?
Im literarischen Sinn würde ich sie als Minimalistin beschreiben. Sie schreibt Kurzgeschichten in sehr ökonomischer Prosa. Es ist harte Arbeit, überflüssige Wörter oder Phrasen in ihrem Werk zu finden.
Was macht ihren Stil so besonders?
Es ist eine besondere Art der Prosa, die sie über die Jahre kultiviert hat. Das Schreiben von Romanen hat sich ausgebreitet, mehr und mehr Raum eingenommen, und die Kurzgeschichte – ich weiß nicht wirklich warum – in den Schatten gestellt. Sie hat die Kurzgeschichte seit den 60er Jahren gepflegt und fast bis zur Perfektion veredelt.
Ist das also auch ein Preis für das Genre?
Das kann man natürlich sagen. Aber sie erfüllt keine Quote in diesem oder irgendeinem anderen Sinn. Sie hat diesen Preis für ihre literarische Exzellenz bekommen. Man sollte bedenken, dass es in vielerlei Hinsicht schwieriger ist, Kurzgeschichten als Romane zu schreiben. Man hat weniger Platz. Sie kann auf 30 Seiten mehr sagen als ein durchschnittlicher Romanautor auf 300. Ihre Texte haben eine gewaltige Dichte – nicht im negativen, sondern im positiven Sinn.
Die Nobeljury musste viel Kritik dafür einstecken, dass sie die nordamerikanische Literatur so lange ignoriert hat. Ist das die Antwort darauf?
Wir kümmern uns nicht um solche Kritik. Wir können machen, was wir wollen. Wir vergeben Preise an Menschen, die sie unserer Meinung nach verdienen.
Haben Sie selbst alles von Alice Munro gelesen?
Ja. Manches habe ich auch dreimal gelesen. Manches zweimal, um mich zu versichern, wie gut es ist. Ihre schriftstellerischen Fähigkeiten sind gewaltig. Ich glaube, es gibt niemanden, der nichts mit ihrem Werk anfangen kann. Ich wollte wirklich herausfinden, wie sie es macht.
Und, haben Sie es herausgefunden?
Nein. Ich habe es zum Teil begriffen, aber man will auch nicht alles zerrupfen. Es gibt eine Art von Magie, die man allein lassen muss. Man kann ihr Genie nicht nehmen und eine Formel daraus ableiten. Es liegt ein Hauch von Genie über ihr, ja wirklich.
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