Schrankenloses Denken
Manfred Zapatka steht endlich wieder auf einer Münchner Bühne. Morgen hat O’Neills „Ein Mond für die Beladenen“ Premiere im Residenz Theater
Zehn Jahre stand er nicht mehr in München auf der Bühne, davor war er zwei Jahrzehnte lang einer der großen Protagonisten der Münchner Kammerspiele. Jetzt gibt es ein Wiedersehen mit Manfred Zapatka. In Eugene O’Neills Drama „Ein Mond für die Beladenen“ spielt er den irischen Bauern Phil Hogan, dessen Tochter an einer großen, unglücklichen Liebe leidet. Die Inszenierung von Thomas Langhoff hat morgen im Residenz Theater Premiere.
AZ: Herr Zapatka, zu Beginn des Stücks läuft auch Phil Hogans dritter Sohn davon, weil er den Geiz und die Härte des Vaters nicht mehr aushält. Was ist das für ein Mann?
MANFRED ZAPATKA: Die Familie ist Prekariat, ganz unten. Ihre Farm besteht nur aus Steinen. Hogans Art zu leben ist ein Anarchismus, den keiner seiner drei Söhne aushält. Er ist Ire, nicht gegen Gott, aber gegen die Kirche, gegen jede Regierung, für das, was ihm nutzt. Aber er ist ein Mensch, der Freundschaften pflegt und was im Hirn hat. Und das Ganze würzt mit intelligentem Sarkasmus.
Hogan ist ein Säufer, ein Großmaul, ein Schlitzohr. Seine resolute Tochter Josie weiß ihn als Einzige zu nehmen.
Ich kann das verstehen, ich bin selbst Vater zweier Töchter. Das ist meist ein sehr ambivalentes Verhältnis. Josie ist bei ihm groß geworden, die Mutter ist ja früh gestorben. Er musste sich wohl so eine Härte zulegen. Das sind Menschen in Not, da geht es immer um Sein oder Nichtsein.
Die Farm hat Hogan gepachtet mit einer Kaufoption. Aber nun bietet ein reicher Nachbar viel mehr. Das kann ihn die Existenz kosten.
Plötzlich merkt er, das kann ganz schnell vorbei gehen. Er hat seinem Freund jahrelang keine Pacht bezahlt, und dann kauft sich da jemand von Standard Oil ein. Plötzlich bricht die Welt herein und alles kann in die Luft fliegen. Er muss sich fragen, wie lebe ich weiter und mit wem? Das hat schon was Großes, Tragödienhaftes. Die Menschen selbst sind klein und komisch. Jeder spielt, legt sich Masken zu und will mit Tricks den anderen verblüffen und überfahren. Sie zocken um die Existenz. Das macht aber auch den Charme aus, dass sie kein Blatt vor den Mund nehmen und ihre Spielchen treiben.
Das Stück spielt 1923. Holt Langhoff es ins Heute?
Es ist ein ganz gegenwärtiges Stück. Das ist doch ganz heutig, dass man immer darum kämpfen muss, den nächsten Monat zu erleben. Das spiele ich mit meinem heutigen Wissen. Dafür muss ich nicht aus einem abgewrackten Ferrari steigen, das überträgt sich auch so.
Sie haben schon oft mit Regisseur Thomas Langhoff gearbeitet. Legendär wurde Tschechows „Platonow“ 1981 an den Kammerspielen.
Den haben wir beide erst spielbar gemacht. Vorher wurde das Stück wenig gespielt, seitdem dauernd. Und „Lorenzaccio“ von Alfred de Musset kannte ja vorher auch niemand. Mit Langhoff zu arbeiten, ist eine gegenseitige Aufforderung, einfach mal was möglich zu machen, keine Schranken im Denken zu haben. Sich richtig in die Kurve zu legen, wie er sagt. Er hat eine starke handwerkliche Überzeugungskraft.
Seit Sie 1998 nach Berlin gezogen sind, haben Sie sich nicht mehr fest an ein Theater gebunden.
Ich habe in den letzten Jahren viel Film und Fernsehen gemacht, aber auch immer wieder Theater gespielt. Die beiden Seiten schließen sich nicht aus, obwohl es zwei verschiedene Berufe sind. Aber sie haben denselben Stamm.
Sie gelten als leidenschaftlicher Koch.
Das bin ich mal gewesen. Ich habe mehr und mehr aufgehört, weil ich so wenig zu Hause bin. Als ich 1977 meine Frau kennenlernte, konnte sie überhaupt nicht kochen. Heute kocht sie hervorragend. Früher habe ich auch gebacken – gegen die Premierenangst. Da muss man sich ganz genau konzentrieren, das lenkt ab vom Lampenfieber.
Sie sind auch ein Büchernarr.
Ich lese alles, was mir in die Finger kommt. Meist mehrere Bücher gleichzeitig. Eine Zeitlang habe ich sehr viele Krimis gelesen. Aber im Moment lese ich nicht mehr soviel Fiction. Vielleicht, weil ich ein paar Jahre die Serie „KDD – Kriminaldauerdienst“ gemacht habe, das ist ja ein Krimi nach dem anderen.
Wie fühlen Sie sich jetzt wieder in München?
Ich mag diese Stadt. Sie ist sehr kunstliebend und liebt auch ihre Künstler. Sonst wäre ich nicht über 20 Jahre hiergeblieben. Es ist so, als wäre ich gar nicht weg gewesen.
Gabriella Lorenz
Residenz Theater, 28. (19 Uhr), 29. 5. (20 Uhr), Tel. 2185 1940