Schräges und Skurriles im vormedialen Mix
In der Pinakothek der Moderne ist der Maler Lyonel Feininger als erstaunlich experimentierfreudiger Künstler zu erleben
Ein paar krakelige Tuschestriche und etwas blaue Aquarellfarbe reichen schon aus, um eine ziemlich komische kleine Szene auszubreiten. Dann schaut das mittlere dieser eher harmlosen „Gespenster” auch noch aus wie Sponge Bob, die Kinder-TV-Nervensäge mit dem Schwammkopf. Dass Lyonel Feininger sein Geld in jungen Jahren als Cartoon-Zeichner verdient hat, kann er noch mit weit über siebzig kaum verbergen. Auch die Leichtigkeit, mit der er – treffsicher – seine Kritzeleien setzt, frappiert immer wieder aufs Neue. Und zur Zeit vor allem in der Pinakothek der Moderne.
Mit 58 entdeckte Feininger den Witz der Fotografie
Doch der eigentlich Clou dieser Ausstellung sind die Fotografien. Denn dass der deutsch-amerikanische Maler und nicht nur seine Fotografen-Söhne gerne mal auf den Auslöser drückte, ist zwar seit den Siebzigern bekannt. Spielte aber bei Retrospektiven und Bauhaus-Schauen nie eine Rolle. Dabei begann Feininger just 1928 in Dessau und im gar nicht mehr zarten Alter von 58 Jahren, sich intensiv mit der Lichtbildnerei auseinanderzusetzen. Erst, um Arbeitsgrundlagen für seine begehrten Städteporträts zu fabrizieren – die Methode erwies sich allerdings als deutlich aufwändiger, denn en plein air zu arbeiten. Das liest man in amüsanten Kommentaren des Künstlers zu den entsprechenden Zeichnungen und Fotografien, die etwa in Halle entstanden sind.
Und man sieht natürlich auch, dass der Bauhaus-Lehrer letztlich am Eigenwert des relativ neuen Kunstmediums nicht vorbeiknipsen konnte und wollte. Ihn interessierten Spiegelungen wie im Schaufensterpuppen-Trio „Schönheitstrunkene” (1932), Schräglagen (Foto links), Verfremdungen, überreizte Lichtdramaturgien (Nachtaufnahmen aus Dessau) und typisch: geometrische Strukturen.
Immer wieder sucht sich das Spinnerte eine Bühne
Man kann das schön vergleichen, die gegenseitige Befruchtung von Feiningers Malerei, Grafik und Fotografie verfolgen, denn in der Pinakothek ist Bezugreiches in kleinen Bild-Trauben zusammengefasst. Und man gewinnt zugleich einen Überblick über das lange Schaffen, das in den 1880er Jahren begann und erst mit Feiningers Tod 1956 endet. Denn Quelle dieser auf Qualität bedachten Schau sind die Harvard Art Museums, die den umfangreichsten Werkbestand des Künstlers besitzen. Und im Speziellen wird hier eine Auswahl aus dem Nachlass William S. Liebermans gezeigt. Der ehemalige Kurator am MoMA und am Metropolitan Museum of Art war mit Feininger befreundet, und bei allem Delectare nimmt man auch immer den versierten Blick des sammelnden Kenners wahr, der sich nicht nur auf einzelne Phasen konzentrieren wollte.
Vielmehr wird ein kurioser Bogen gespannt. Von durchaus konventionell umgesetzten verwitterten Booten, die Feininger 1892 auf Rügen gezeichnet hat, über fein stichelnde Karikaturen und ziemlich freie Strandimpressionen oder in Prismen aufgefächerte Rennradler, die fast zeitgleich entstehen. Bis hin zu düsteren Buchten und dunklen Häuserschluchten. Wobei sich das surreal Verspielte, das Spinnerte immer wieder seine Bühne sucht.
Bis 17. Juli; Kataloge: Zeichnungen und Aquarelle; Fotografien, je 29.80 Euro (Hatje Cantz)
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