Schöner archivieren
Die Zukunft der Stadtgeschichte liegt in Freimann: Für 29 Millionen Euro will die Stadt ein neues Zentraldepot für ihre Museen bauen
Das Münchner Zeughaus liegt heute nicht mehr am St. Jakobsplatz, sondern am Leuchtenbergring: Sollte jemand zu den Ritterhelmen, Hellebarden und Gewehren aus dem 14. bis 19. Jahrhundert greifen wollen, müsste er in einen Lagerbau, eingekeilt zwischen Bahntrasse und Baustellen, eindringen. Dort ruht auch der Großteil der mit rund 2,5 Millionen Objekten umfangreichen Sammlung des Stadtmuseums auf 7700 Quadratmetern Stellfläche in Depots. Kruzifixe, Prozessionsstangen, Biedermeier-Mode und Jugendstil-Möbel – ein kostbares Sammelsurium aus 850 Jahren Stadtgeschichte. Ende 2011 muss das Stadtmuseum aus den Räumen raus; der Besitzer plant einen Hotelneubau.
Auch der zweite Depotstandort ist verbesserungsfähig: Die Abteilung Schaustellerei, Haupt-Wirkungsfeld des stellvertretenden Stadtmuseumsdirektors Florian Dering, ist in einer Lagerhalle in Allach untergebracht, auf 1250 Quadratmetern. Die Kollektion historischer Geisterbahnfiguren, der Karusselfahrzeuge und Schausteller-Wohnwägen (von 1905 und 1937) von der Wiesn wurde zuletzt bei einem Rohrbruch im benachbarten Asylbewerberheim in Teilen durchweicht – ein Schaden von 150000 Euro. Dering, auch zuständig für das neue Depot, ersehnt schon lange einen besseren Ort für seine Schätze. „Momentan sind wir permanent mit Säubern, Räumen, Umpacken und Wiederherrichten beschäftigt. Da geht viel Energie verloren“, so Dering.
Wer Museen will, braucht Depots
Sein Wunsch wurde erhört. Im Oktober 2007 hat die Stadt der Errichtung eines Depotneubaus an der Lindberghstraße in Freimann zugestimmt. Am 20. November soll der Kulturausschuss das von Schmidt-Schickedanz & Partner geplante Projekt sowie die Baukosten von 29 Millionen Euro genehmigen. Auch das Jüdische Museum und die Villa Stuck sollen einen Teil der 10300 Quadratmeter Stellfläche im neuen Haus nutzen. Die großenteils noch im Stadtmuseum aufbewahrten Archive des Film- und des Fotomuseums sollen ebenfalls nach Freimann auswandern; für sie sind 350 Quadratmeter (mit Kühlanlage) vorgesehen.
29 Millionen Euro (plus 4,2 Millionen Umzugskosten) sind viel Geld, aber wer Museen will, braucht Depots – auch wenn man als Bauherr von Museumsneubauten kurzfristig mehr Glamour entfalten kann. Doch laut einer Studie des internationalen Museumsrates ICOM seien, so Dering, meist nur zehn Prozent des Bestandes ausgestellt. Der Rest wartet auf Erweckung.
Ein Archiv der Stadtgeschichte
Die Aufgabe des Stadtmuseums sieht Dering darin, alles spezifisch Münchnerische zu archivieren. Dazu gehören Kunstwerke wie ein Rokoko-Herrgott von Ignaz-Günther, Volkskundliches. Alltagsgegenstände, die vom Leben der Stadtbürger erzählen – wie der von Wiesn-Schaustellern „Daniel“ getaufte Nachttopf. Oder das ramponierte Kruzifix vom Gasteig-Berg, die Hitler-Büste, Gipsformen für Figuren von Hildebrands Wittelsbacherbrunnen. All dies hat zumindest einen ideellen Wert. Denn erst die Objekte machen Geschichte begreifbar, auch wenn der Trend zu Multimedia-Präsentationen und Touchscreens geht.
Man habe, so Erika Kremer, Architektin im Kulturreferat, nach Mietimmobilien gesucht, aber eine Wirtschaftlichkeitsberechnung ergab, dass die günstigste Variante ein Eigenbau ist, angelegt auf zunächst 50 Jahre. Für die Exponate ist ein klimatechnisch und räumlich maßgeschneidertes Depot ja die beste Lösung.
Roberta De Righi