Schöne Schäume
Sol Gabetta im Herkulessaal: Die Cello-Fee servierte mit ihrem geigenden Bruder Andrés und eigener Cappella ein „Progetto Vivaldi“ – doch das bot nicht nur vergnügliche Höhepunkte
Bei Harald Schmidt quasselt sie quietschend über die Vorzüge argentinischer Steaks. Fürs Bayerische Fernsehen moderiert Sol Gabetta eine schnuckelige kleine Klassik-Sendung, in der sie locker vom Hocker über ihr Repertoire plaudert. Und natürlich auch mit den Größen des Bizz. Sie unterrichtet Basler Cellostudenten, hat logischerweise ihr eigenes Festival, und dann jagt auch noch ein Konzert das nächste. Man fragt sich also ganz ernsthaft, wann die 29-Jährige überhaupt zum Üben kommt. Geschweige denn Luft holt.
Aber all das scheint diesem blonden Cello-Darling nichts anzuhaben. Im Gegenteil: Sie ist immer gut drauf, strahlt so oft sie kann in die weite Runde, um wenige Sekunden drauf ihr eh schon verzücktes Publikum ganz ins Delirium zu geigen. Und Vivaldi ist der richtige Stoff aus dem vergnügliche Träume sind. Duftig, luftig, launig, leicht und auch mal schäumend.
Amüsanter Irrwitz in der zweiten Hälfte
Wenn die Combo passt. Denn was zu Beginn dieses „Progetto Vivaldi“ durch den komplett gefüllten Herkulessaal leierte, ließ Klägliches erwarten. Sols barockgeigender Bruder Andrés hatte seine Cappella Gabetta kaum im Griff, über Tempi war man sich in Francesco Durantes zweitem Concerto grosso lange nicht einig (die Intonation schieben wir mal auf die verzögerte Akklimatisation der Instrumente). Doch das Projekt kam in die Gänge, Durantes „La Pazzia“ wurde in der zweiten Hälfte tatsächlich zum amüsanten „Irrwitz“. Nur der Konzertmeister erwies sich bis zum Schluss nicht als wirklich tonangebender Gestalter.
Diesen Job besorgte Schwester Sol mit gezielten Blicken, das Cellokonzert Leonardo Leos forderte sie noch nicht im Übermaß. Aber auch hier wollen rasante Läufe ausformuliert und nicht partiell geschluckt werden. Dass La Gabetta allerdings zwei wenig bekannte Zeitgenossen aus Neapel aufs Tablett hob, sich nicht auf Vivaldi allein verließ, zeugt von Entdeckerlust.
Wobei der venezianische Vielschreiber umso besser wegkam. Besonders in den langsamen Sätzen, die deutlich mehr Spannung hatten als die vergleichbaren Passagen der Napoletanos. Da lief auch der Star des Abends zur Hochform auf. Sols klirrender „Winter“ aus den „Jahreszeiten“ ist der pure Krimi. Und selbst die Cappella war wirklich auf Zack.
Christa Sigg