Schnellkurs in Gelb

Union und FDP an der Macht, Westerwelle als Vizekanzler: Das neue Regierungsbündnis schafft auch ein neues Lebensgefühl. Hier sind unsere Tipps zum Überleben in der Guido-Republik
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Union und FDP an der Macht, Westerwelle als Vizekanzler: Das neue Regierungsbündnis schafft auch ein neues Lebensgefühl. Hier sind unsere Tipps zum Überleben in der Guido-Republik

Am 1. Oktober 1982 begann unter Kanzler Helmut Kohl die dritte und bislang längste gelb-schwarze Koalition auf Bundesebene. Sie währte volle 16 Jahre. Nun kommt es zur Neuauflage, nicht der Kohl-Ära, sondern des bislang verniedlichend unter dem Begriff „Tigerente“ zusammengefassten Regierungsbündnisses. Schafft dieses auch ein neues Lebensgefühl – und wenn ja, wie sollte das überhaupt aussehen?

Dass die Tigerenten derzeit in Münchens Spielzeugläden ausverkauft sind, liegt noch nicht am neuen Kultstatus der Koalition, die Firma liefert schlichtweg seit geraumer Zeit nicht. Wer sich dennoch auf das neue „gelbe“ Lebensgefühl einstimmen möchte, dem sei dieser Schnellkurs empfohlen. Sonst könnte einem innerhalb der nächsten vier Jahre der Spaß schnell vergehen.

Solidarität

Auch das Glas Champagner im Golfclub oder das kühle Pils nach dem Ausritt mit Freunden ist gelebtes Gemeinschaftsgefühl. Ein soziales Gewissen ist was für Rentner und Hartz IV-Empfänger, Menschen mit zu viel Zeit für trübe Gedanken. Immerhin, einige FDP-Mitglieder behandeln gelegentlich sogar Kassenpatienten.

Kompetenzen

Nur engstirnige Geister messen Weltläufigkeit in Sprachkenntnissen. Adenauers Englisch war nicht Oxford, warum sollte dann Westerwelle der BBC in Inselsprache antworten? Weltgewandtheit bemisst der Gelbe in Selbst- und Sendungsbewusstsein.

Idole

Genscher, Genschman und der Mann mit dem gelben Pullunder bilden die Trinität des gelben Säulenheiligen. In der „FDP Quality Collection“ kostet der Genscher-Pullunder (50 Prozent Acryl, 50 Prozent Baumwolle) arbeiterfreundliche 39.90 Euro, das Einstecktüchlein aus italienischer Seide und dem gelb-blauem Rand können Ein-Euro-Jobber schon nach 15 Stunden Grünanlagenreinigung ihr Eigen nennen.

Tradition

Alles, was älter als Otto Graf Lambsdorff ist, interessiert den Gelben nicht, außer man kann es mit Kaminfreunden aus staubigen Flaschen genießen oder bei Auktionen veredeln. Ansonsten gilt: Nur die Zukunft ist modern, oder modern in die Zukunft – was immer dies auch bedeuten soll.

Humor

Richtig Vergnügen bereitet der Blick auf den Kontoauszug, aber auch sonst geht der Gelbe zum Lachen nicht in den Keller. Er ist eine Frohnatur auf der Sonnenseite des Lebens und kann sich köstlich auf Kosten Schwächerer amüsieren. Politik soll schließlich Spaß machen!

Sex

Warum sind alle Frauen auf einer FDP-Party und 80 Prozent der Kandidatinnen blond? Vielleicht weil diese Farbe in einer sonnendurchstrahlten Cabriofahrt am besten zur Geltung kommt. Beim Paarungsverhalten der Gelben schlägt neben der monetären auch die universitäre Prägung durch: Juristen und BWLer kreuzen sich nicht mit Sozialpädagoginnen. Man verliebt sich nicht ins schlechte Gewissen.

Musik

Hier ist der Gelbe kompromisslos konservativ. Man hört Mainstream, BWL-Pop aus den 80ern (Level 42, Simple Minds) und alles, was die ersten zehn Plätze der Charts in den letzten Jahrzehnten hervorgebracht haben – plus „Hoch auf dem gelben Wagen“. Besungen wurden die Gelben auch, so von den Goldenen Zitronen und von Funny van Dannen, der auf seinem Album „Herzscheiße“ von einer Nacht mit Westerwelle träumte.

Sport

Nicht nur Fallschirmspringen, sondern auch Volleyball und Cricket mag der Gelbe. Das Polo-Spiel in St. Moritz findet er allerdings aufregender und standesgemäßer als das Ruhrderby im Westfalenstadion. Auch wenn dort Zehntausende in Schwarz-gelb gekleidet eine Stimmung verbreiten, als habe die FDP gerade die zwanzig-Prozent-Hürde geknackt.

Volker Isfort

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