Scheitern, aber immer mit Liebe
Ein Anruf aus der Wolke: Er würde gerne mit Leonard sprechen, tönt die Stimme. Diesem Sportsmann und Schafhirten, diesem faulen Bastard, der in einem Anzug lebt. Kann man eine Platte schöner beginnen?
Nach acht Jahren hat sich Leonard Cohen wieder zu einem Album entschlossen. Dem zwölften in seiner kaum vor Eifer explodierenden Karriere als singender Dichter. Damit die globale Gemeinde jetzt nicht in Hysterie verfalle, hat er es „Old Ideas” genannt und sich für das Cover sitzend fotografieren lassen, wie er mit Sonnenbrille und Hut ein Buch liest. So meldet man sich als Zen-Buddhist zurück.
Natürlich aber trügt die Ruhefassade dieser noch ein Stückchen nach unten gerutschten Stimme, die mittlerweile ein der Gegenwart enthobenes Timbre hat, als würde man auf eine verblassende Fotografie blicken. Eine Liebeslied will er schreiben sprichtsingt Cohen im ersten Stück, „a manual of living with defeat” – „ein Handbuch über das Leben mit dem Scheitern”. Eine erhabene Cohen-Sentenz, die zum Thema der gesamten Platte führt: In seinem letzten Lebensabschnitt verdichtet der 77-jährige Sänger die Unbedingtheit der Liebe, das Leiden, die letzten Dinge zehnmal in einem Song.
Immer wieder dabei, wenn die Stimme des Poeten an ihr Ende kommt – die Backgroundsängerinnen, mit ihrer speziellen Mischung aus Sexyness und überirdischer Ahnung. Symptomatisch versprechen sie in „Come Healing” dass der Heilung des Körpers die des Geistes folge. Von jedem Stäubchen frei sind die Stimme von den Webb Sisters, Jennifer Warnes, Dana Glover, und Sharon Robinson.
Am irdischsten in seiner Textur ist da noch „Banjo”, ein Song, der sich über einen Duft von Country dem Gospel nähert, um in Momenten den Sängern eine Ahnung von Soul zu erlauben. Cohen hatte immer einen speziellen Klang-Geschmack, den man in Zeiten imageträchtiger Authentizität keinem Liedermacher mehr so produzieren würde. Dazu passt die Vorliebe für synthetische Streicher, die einen, wäre es nicht Cohen, schon gruseln könnte.
Cohen aber steigt auf der polierten Klangbühne dieses Albums auf zu einer Größe, die die beiden vorangegangenen Werke nur noch als Behauptung hatten. Das Lebensthema des „Field Commander Cohen” ist das Körperschlachtfeld der Liebe. Und im letzte Song „Different Sides” liegen sich noch einmal zwei erlösungsbedürftige Körper gegenüber.
„The Darkness” – Cohens Gitarrenpicking-Kaskaden klopfen wie Regen gegen die Scheibe, dann dreht er in Richtung J. J. Cale ab und singt über die näherrückende Dunkelheit, dass einem auch gleich Dylans „It’s Not Dark Yet” in den Sinn kommt. Allein: Der Kanadier Cohen feiert nicht den Untergang, wie es ein traditionsbewusster Amerikaner machen würde. Er flirtet samtig mit der schwarzen Wolke, wie mit einer Frau. Der Tod, er hat auf seine kühle Art, für Leonard Cohen eine erotischen Anzüglichkeit. Und solange der Flirt noch reizt, ist der Geist am Leben. Vielleicht ist das die leise lächelnde Botschaft dieses Handbuches für die Liebe.
Leonard Cohen: Old Ideas (Columbia / Sony Music)