Scheideweg des Blues
Er ist wieder zurück auf dem gut gefüllten Münchner Königsplatz mit Hemd, Jeans und Showminimalismus. Eric Clapton und seine Band führen auf dem Königsplatz zurück in die Hochzeit der Rock-Gitarren.
Die Augen halbgeschlossen, der Mund halbgeöffnet. Das Bühnenlicht spiegelt in den Gläsern der Brille. Die Töne suchen sich den Weg, wie Wasser. Dann kippt der Kopf in den Nacken, der Mund ein Gedankenstrich. Der Ringfinger quält die Saite, dehnt sie einen Ganzton nach oben. Die Hand spannt sich um das Griffbrett, als könne sie den Gitarrenhals biegen wie Zinn. Die Tonabnehmer vergrößern den Schrei des Instrumentes wie eine Lupe. Wenn Eric Clapton ein Solo spielt, sieht er nach innen.
Der Herr im lummeligen Pulli und der verwaschenen Jeans ist übrig geblieben aus einer Zeit, als das wilde Herz des Rock noch glühte wie die die Röhren eines Gitarrenverstärkers. Jakob Dylan, Sohn des Bob, darf als Support-Act mit hohem Symbolgehalt zeigen, dass das Erbe der Väter nicht verschleudert wird. Die zarten Songwriter-Nummern haben es aber schwer, den Königsplatz einzunehmen.
Mit zwei Songs des Derek & The Dominos-Albums „Layla and Other Assorted Love Songs“ – „Tell The Truth“ und „Key To The Highway“ – setzt sich Clapton auf die Spur. Ein „Hootchie Cootchie Man“ weckt mit seinem Voodoo-Riff den elektrischen Blues eines Muddy Waters. Clapton tritt zurück in den Sound, der immer größer sein wird als ein kleiner Mensch. Chris Stainton, Begleiter von Joe Cocker, The Who und vielen anderen dieser Liga, spreizt mit einem Piano-Solo aus Tonclustern das Riff auf.
Aber Clapton ist eben hauptsächlich Verehrer von Robert Johnson. Hier allerdings, beim „Travelling Riverside Blues“, zeigt sich, dass die Eleganz Claptons nicht unbedingt der beste Interpretationsansatz für die Anarchie des vom Teufel gejagten Mississippi-Mannes ist. Das Wüste, das bei Johnson zwischen den Tönen lauert, sperrt Clapton in seinen Bluesrock-Käfig. Dabei kann auch er das Brave natürlich anstandslos zur Hölle schicken. Aus dem Bottleneck-Riff von „Motherless Children“, unter Spannung gesetzt, zusammen mit dem wunderbar eigenwilligen Gitarristen Doyle Bramhall II., sprühen Funken wie aus einem losen Hochspannungskabel.
Für die letzte Runde hat sich Eric die Songs aufgehoben, die ihn abseits des Blues zum Über-Gitarristen auch für ein Mainstream-Publikum machten: „Wonderful Tonight“, dieses Liebeslied ganz ohne Sex, kann man nicht leerspielen. Das Solo-Lick von „Layla“ ist eine Gitarren-Fanfare, wie ein Erkennungssignal, „Cocaine“ stampft über den Platz wie ein Bison. Mit „Crossroads“ als Zugabe kehrt Clapton zurück zum Scheideweg, dem Opferplatz des Blues.
Christian Jooß
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