Scheckbuch-Glamour?

Der Chef geht, aber wer kommt? Und vor welchen Problemen steht das Filmfest München? Ist es ein Festival für Starrrummel oder Filmfreaks? Jetzt wollen Stadt und Freistaat entscheiden
von  Abendzeitung

Der Chef geht, aber wer kommt? Und vor welchen Problemen steht das Filmfest München? Ist es ein Festival für Starrrummel oder Filmfreaks? Jetzt wollen Stadt und Freistaat entscheiden

Als vor zwei Wochen durch einen AZ-Artikel öffentlich wurde, dass Andreas Ströhl nach acht Jahren das Filmfest München verlässt, entstand Unruhe: Wer soll das zweitgrößte Filmfestival Deutschlands in die Zukunft führen? Das Festival ist mit 1,5 Millionen Jahresetat unterfinanziert. Der Freistaat hat gerade seinen Zuschuss von knapp einer Dreiviertel Million noch einmal leicht gekürzt. Die Stadt München zog mit gleicher Kürzung mit.

Diese Entwicklung ist absurd, denn um den Filmstandort München steht es nicht besonders gut. Berlin – mit Berlinale und den Studios Babelsberg – hat München und die Bavaria international längst abgehängt. Das Filmfest München war bisher eine letztlich billige Image- und Standort-Pflege. Den Leitern Eberhard Hauff und dann Andreas Ströhl ist es gelungen, wichtige Filmemacher und Film-Schaffende nachMünchen zu holen. Hauff setzte bis 2003 auf Stars und Starlets, Ströhl von 2004 an mehr auf die Cineasten – mit den besten Publikums-Zahlen. Der Neue müsste beides verbinden.

Das geht nur mit mehr Geld. Der Stadt München, die sich an Plakat-Werbeaktionen wie „Filmstadt München – Deine Stadt“ beteiligt, ist die Sparte Film nicht einmal mehr eine eigene Stelle im Kulturreferat wert. Der Filmreferent wird imMai eingespart. Dass jetzt noch vor der Eröffnungs-Gala der Berlinale in acht Tagen ein neuer Filmfest-Chef für 2012 gefunden werden soll, ist unnötig hektisch. Lieber erst einmal über fehlendes Geld und Konzepte reden!

Das 29. Filmfest München Ende Juni soll sein letztes sein: Nach acht Jahren hat Festivalleiter Andreas Ströhl die Gesellschafter gebeten, ihn diesen Sommer aus dem Vertrag zu entlassen, der noch bis 2013 gelaufen wäre. Jetzt muss die Münchner Filmwochen GmbH einen neuen Leiter suchen: Anteile haben der Freistaat und München zu je 40 Prozent, mit je über 700 000 Euro jährlicher Einlage. Jeweils zehn Prozent halten der Bayerische Rundfunk und die Spitzenorganisation der deutschen Filmwirtschaft, kurz Spio genannt.

Die Königsmacher

Wer zahlt, schafft an: Deshalb entscheidet für den Freistaat letztlich Finanzminister Fahrenschon. Der liebt Kino wirklich, taucht persönlich auf Studenten-Filmfesten auf, lässt sich aber sicher auch von seinem Film-Standort-Subventionierer, dem Leiter des Film- und FernsehFond Bayern (FFF), Klaus Schäfer, beraten. In München hat "Kultur"-Oberbürgermeister Ude das Filmfest schon immer zur Chefsache gemacht, hört sich aber immer auch die Meinung von Theo Hinz an, Ex-Constantinfilm-Mitarbeiter und Mitglied des Kulturforums der Münchner SPD. Den Minderheitsanteil des BR vertritt Fernsehdirektor Gerhard Fuchs, der auch die Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) leitet. Die Spio ist mit ihrem Präsidenten und Schwabinger Kino-Betreiber Steffen Kuchenreuther vertreten.

Die Probleme

Das Filmfest München ist als zweitgrösstes Filmfestival Deutschlands mit rund 1,5 Millionen Euro Jahresetat deutlich unterfinanziert. Zum Vergleich: Der Etat der Berlinale wird auf 15 Millionen Euro geschätzt. Selbst das Karlsbader Filmfestival hat über 4,5 Millionen Euro, das Dreifache von München.

Diesjährige Haushaltskürzungen von Stadt und Staat haben dem Filmfest München noch einmal 27 000 Euro minus eingebracht. Und die Zeiten werden nicht besser, sondern härter. Auch, weil es immer mehr Filmfestivals gibt und viele sich mit hohem Budget Stars einkaufen: Scheckbuch-Glamour. Das Filmfest München hat sich bisher dagegen allein auf seine Bedeutung und sein besonders attraktives Flair verlassen als "das Sommerfestival" schlechthin an der Isar-Filmmeile zwischen Gasteig und Jakobsplatz. Mit diesen Geld-, Struktur- und Glamour-Ängsten wird sich ein neuer Leiter rumschlagen müssen

Die Bewerber

Der scheidende Leiter, Ströhl, favorisiert die Lösung, mit der sein kunstfilm-lastiges Konzept weitergeführt würde: Sein bisheriges Progammer-Team soll sich - um sich nicht gegenseitig zu schwächen - auf einen der ihren als Bewerber geeinigt haben.

Mit im Rennen sind auch einige Münchner Filmjournalisten mit Festivalerfahrung. Der Bayerische Rundfunk hat als Mitgesellschafter der Münchner Filmwochen und mit guten Kontakten in die Staatskanzlei auch gute Karten, einen der seinen unterzubringen.

Ob als kompetente Frau noch Simone Stewens im Rennen ist? Sie war Redakteurin des Bayerischen Rundfunks, ehe sie nach Köln ging, um dort seit 2001 die künstlerische Leitung der Internationalen Filmschule Köln auszufüllen. Als geeignet gilt auch Matthias Helbig, ein Mann, der bereits die Kinoprovinz zum Blühen gebracht hat und in Starnberg, Herrsching, Landsberg und Seefeld Kinos betreibt. Dort hat er auch das Fünf-Seen-Filmfestival aufgebaut, das schon hin und wieder dem Filmfest München einen wichtigen Film wegschnappen konnte.

Noch vor der Berlinale wollen die Filmfest-München-Gesellschafter den Neuen bekannt geben.

Adrian Prechtel

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