Schattierungen der Eifersucht
Salzburger Festspiele: Das Händel-Konzert der Mezzosopranistin Joyce DiDonato im Großen Festspielhaus
Fast wäre auch noch die Einspringerin abhanden gekommen: Erst sagte Rolando Villazón den Salzburgern wegen seiner Operation an den Stimmbändern ab, dann brach sich die amerikanische Mezzosopranistin Joyce DiDonato in London das rechte Wadenbein: Nach der Arie „Una voce poco fa“ stürzte sie in Covent Garden, sang humpelnd weiter und bestritt die nächsten Vorstellungen von Rossinis „Barbier von Sevilla“ im Rollstuhl.
Im Großen Festspielhaus erschien sie auf Krücken, setzte sich und stützte das Bein auf eine schwarze Holzkiste. Villazóns Händel-Platte in Ehren: An Starruhm kommt ihm die 40-Jährige aus Kansas nicht gleich, aber als stilsichere Barock-Interpretin ist sie zwei brillante Klassen besser. Und den männlichen wie weiblichen Mezzosopranen hat der Komponist auch viel schönere Musik in die Kehle komponiert als seinen Tenören.
Joyce DiDonato konzentrierte sich in Ausschnitten aus den Opern „Teseo“, „Serse“, „Ariodante“ und dem Oratorium „Hercules“ auf extreme Schattierungen der Eifersucht. Gleich in der ersten Note demonstrierte sie ihre unglaubliche Belcanto-Kunst, einen Ton aus dem Nichts an- und abschwellen zu lassen. Eine Wut-Arie der Medea sang sie gleichsam mit zusammengebissenen Zähnen, ehe sie im Mittelteil die Zornesröte des Hasses aufblitzen ließ. Herausragend nach der Pause ihr „Scherza infida“ aus „Ariodante“. Die Trauer der Verlassenheit steigerte sich zu Wut und Hohn, ehe sie in die kolorierte Wiederholung des ersten Teils eine abgrundtiefe Verzweiflung hineinlegte.
Perfekter Belcanto
Die Mezzosopranistin kann in Tönen reden. Aus ihrer eher lyrischen, technisch perfekt kontrollierten Stimme holt sie zarteste Schattierungen der Lautstärke und Farbe heraus. Nie erstarrt dies jedoch nie zur selbstzweckhaften Manier. In der Wahnsinnsszene aus „Hercules“ streifte sie die Grenze zum Sprechgesang: Aber mit ihrem Stilgefühl blieb sie doch den Konventionen des Belcanto treu.
Die Begleitung durch die stark besetzten Gabrieli Players unter Paul McCreesh war so erstklassig wie der Gesang. Eine Wucht waren die Hornistin und der Hornist in den beiden Suiten aus der „Wassermusik“: So unglaublich farbig und virtuos spielt das kaum jemand. Klanglich völlig ausgewogen gelang auch die heikle Mischung aus Trompete und Oboe in der Bravourarie der Melissa aus „Amadigi“.
Villazón, den Joyce DiDonato am Ende einen „guten Freund“ nannte, wünschte sie vor der ersten Zugabe "Ombra mai fu" eine gesündere Rückkehr. Den Enttäuschten, die draußen ihre Karten anboten, sei verraten: Ihr habt etwas verpasst.
Robert Braunmüller
Joyce DiDonatos Händel-CD „Furore“ bei EMI/Virgin
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