Salzburger Filzspiele

Ausgerechnet im Jubiläumsjahr haben die Salzburger Festspiele eine eklige Finanzaffäre am Hals
von  Abendzeitung

Ausgerechnet im Jubiläumsjahr haben die Salzburger Festspiele eine eklige Finanzaffäre am Hals

Sein Markenzeichen war ein kecker Pferdeschwanz. Klaus Kretschmer, wegen „finanzieller Unregelmäßigkeiten“ geschasster Technikdirektor der Salzburger Festspiele, galt als einer der bekanntesten und profiliertesten Männer seiner Zunft. Die Nachricht von seiner fristlosen Entlassung vor einer Woche schlug in Salzburg wie eine Bombe ein. „Mich hat das sehr getroffen. Ich bin traurig und wütend zugleich“, sagte Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler den „Salzburger Nachrichten“ (Freitagausgabe).

Ausgerechnet im Jahr seines 90-jährigen Bestehens, das im Sommer groß gefeiert werden soll, hat das Glamourfestival eine Finanzaffäre am Hals. Dabei geht es um unzulässige Verquickungen zwischen den formal unabhängigen Salzburger Festspielen sowie den Osterfestspielen, dem von Herbert von Karajan gegründeten Festival der Berliner Philharmoniker in Salzburg. Formale Ermittlungen seien allerdings noch nicht aufgenommen worden, teilte die Staatsanwaltschaft am Freitag auf ddp-Anfrage mit. „Wir warten noch auf eine Sachverhaltsdarstellung der Osterfestspiele.“

Unregelmäßigkeiten

Die Sache kam nach österreichischen Medienberichten ins Rollen, als die Salzburger Landeshauptfrau Gaby Burgstaller (SPÖ), zugleich geschäftsführende Präsidentin der Osterfestspielstiftung, bei Verhandlungen über eine Subventionserhöhung für die Osterfestspiele veranlasste, die Kostenstruktur des Festivals von einem Finanzausschuss überprüfen zu lassen – insbesondere ging es um extrem hohe Verwaltungskosten.

Weil der Ausschuss einige Fragen nicht klären konnte, verfügte Burgstaller Anfang Dezember 2009 eine Sonderprüfung durch eine unabhängige Wirtschaftskanzlei. Nach ersten Hinweisen auf „Unregelmäßigkeiten seitens der Geschäftsführung“ wurde zunächst der bisherige Osterfestspiel-Chef Michael Dewitte fristlos entlassen.

Zweimal gezahlt

Am vergangenen Donnerstag erreichte die Affäre auch die Salzburger Festspiele. Das Material gegen Kretschmer sei „so erdrückend“ gewesen, dass das Direktorium der Festspiele sich „sofort auf eine fristlose Kündigung geeinigt“ habe, sagte Rabl-Stadler. Angeblich hatte Kretschmer, der sich selbst bislang zu den Vorwürfen nicht öffentlich äußerte, über acht Jahre ungerechtfertigte Beraterhonorare kassiert. Und zwar für Leistungen, die von den Osterfestspielen, die selbst über keine technischen Strukturen verfügen, bei den Sommerfestspielen bestellt und bezahlt wurden.

Mithin, so heißt es, könnten die Osterfestspiele zweimal gezahlt haben: einmal ganz offiziell an die Sommerfestspiele, ein zweites Mal unter der Hand an Kretschmer. Als mögliche Schadenssumme ist von einem Betrag von etwa einer halben Million Euro die Rede, die sich Dewitte und Kretschmer geteilt haben könnten.

Rabl-Stadler nannte als offizielle Gründe für Kretschmers Entlassung „Missachtung des Nebenbeschäftigungsverbotes und Vertrauensschwund“. Der frühere Technikchef war laut „Salzburger Nachrichten“ schon 2001 vom Direktorium der Festspiele gerüffelt worden, weil er ohne Genehmigung seines Arbeitgebers eine eigene Bühnentechnikfirma unterhielt. Wenig später habe Kretschmer dann mitgeteilt, dass er keine eigene Firma mehr besitze. Nach Recherchen des Österreichischen Rundfunks (ORF) war er trotz des Verbots aber weiter an Firmen beteiligt.

Der Mann des Zaubersofas

Bei seiner Berufung zu den Salzburger Festspielen im Jahr 1991 war Kretschmer einer der jüngsten Technischen Direktoren Europas. Seither sorgte er zusammen mit mehr als 400 technischen Mitarbeitern dafür, dass beim bedeutendsten Musik- und Theaterfestival der Welt alles glatt über die Bühne ging. Neben seinem Hauptberuf wirkte Kretschmer auch als Bühnenbildner. 2004 entfachte er in der Inszenierung von Henry Purcells „King Arthur“ an der Seite von Regisseur Jürgen Flimm ein wahres Feuerwerk der Bühneneffekte mit Bildprojektionen, einem „Zaubersofa“ und von Hand betriebenen Fluggeräten. Als sein organisatorisches „Meisterstück“ galt die Aufführung sämtlicher 22 Mozart-Opern bei den Salzburger Festspielen im Mozartjahr 2006.

Als Ersatz für den gefeuerten Technikchef soll nun zunächst ein Interimsdirektor gefunden werden. Zugleich kündigte Rabl-Stadler an, im Rahmen einer Sonderprüfung durch eine Wirtschaftskanzlei das gesamte Bestellwesen der Sommerfestspiele, das Japan-Gastspiel im Jahr 2008 sowie die geschäftlichen Beziehungen zwischen Oster- und Sommerfestival zu kontrollieren. Rabl-Stadler und Burgstaller sprachen sich für eine „lückenlose Aufklärung“ aus. Schließlich haben die beiden Salzburger Hochglanzfestivals einen Ruf zu verlieren.

Georg Etscheit

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