Salti durch den intermedialen Raum
Wissenschaft und Tanz treffen im Muffatwerk bei einem Science Festival aufeinander
"Erst war alles multimedial. Dann kam die Intermedialität, und heute muss alles hybrid sein“, stöhnt Dietmar Lupfer vom Muffatwerk über die angesagten Begriffe aus der Performer-Szene. „Dabei gehen doch immer nur zwei Tänzer vor einer Leinwand von rechts nach links.“
Für den heutigen Abend verspricht Lupfer die Ausnahme von der Regel: Der Amerikaner Richard Siegal gastiert mit seiner multimedialen Tanzperformance „Homo ludens“ im Kulturzentrum hinter dem Müller’schen Volksbad. Umrahmt wird die Aufführung von einem zweitägigen „Science Festival“, bei dem Theaterwissenschaftler über das Zusammenspiel von Technik und Körper nachdenken.
Im Dialog mit der Theaterwissenschaft
Lupfer möchte das universitäre Expertenwissen über Tanz und Performance mit den Fragen des Publikums zusammen bringen. Für Jürgen Schläder vom Forschungszentrum für Neuestes Musiktheater ist Siegals „Homo ludens“ ein perfektes Beispiel für die im wissenschaftlichen Zusammenhang vieldiskutierte Intermedialität, das Zusammenwirken von Mensch und digitaler Technik. „Auf der Leinwand erscheinen erst gepixelte, einem Körper ähnliche Formen. Dann kommt der Tänzer hinzu. Die Maschine wiederholt seine Bewegungen dank ihres Erinnerungsvermögens perfekt. Sie nimmt manchmal vorweg, was der Mensch noch nicht kann, bisweilen gelingt es dem Tänzer aber auch, die Maschine zu übertölpeln.“
Siegal tanzte zwischen 1997 und 2004 bei William Forsythes Ballett Frankfurt. Seine etwa einstündige Arbeit beruht auf seiner „IF/THEN-Methode“, die Raum, Zeit und Interaktion in eine spielerische Ordnung bringt. „Ich finde es faszinierend, wie die menschliche Bewegung und die Maschine zusammenwirken. Sie kann manchmal mehr als der Mensch, weil Siegal nicht fünf Salti hintereinander zustandebringt“, erklärt Schläder. „Die Aufführung läuft darauf hinaus, dass der Mensch noch immer die Maschine beherrscht. Aber ich frage mich: Wie lange noch?“
Siegal ist mit dieser Deutung Schläders nicht ganz einverstanden. „Ich will mit Tanz keine These formulieren, sondern bestimmte Materialien in einen künstlerischen Zusammenhang bringen.“ Der Performer wird nach der Aufführung mit den Wissenschaftlern diskutieren, und an Gesprächsstoff wird gewiss kein Mangel sein.
Robert Braunmüller
Muffatwerk, 20 Uhr, Karten zu 15 Euro an der Abendkasse; Vorträge heute und morgen, 17 Uhr, Eintritt frei