Ruhm durch Schlagzeilen
Nichts Neues von „Bonnie und Clyde“: An den Kammerspielen inszenierte Barbara Weber den Mythos als ironischen Stil-Mix
Wir sind jung, wir sind schön, und wir bringen Menschen um. Wir haben Benzin im Blut. Wir reisen bis ans Ende der Nacht.“ So stilisiert Bonnie Parker sich und Clyde Barrow zu Ikonen eines Mythos. Das legendäre Gangsterpärchen, das von 1932 bis 1934 eine Spur von Chaos und Anarchie durch den Südwesten der USA zog, wurde während seines kurzen Lebens zu Volkshelden – und der Ruhm war ihnen ebenso wichtig wie das Geld, das sie bei ihren Banküberfällen erbeuteten. Über sie gibt es zahlreiche Filme und Bücher, und nun hat Barbara Weber sie mit ihrem Projekt „Bonnie und Clyde“ auf die Bühne der Kammerspiele gebracht. Nach knapp 100 Minuten gab’s wohlwollenden Beifall für die Uraufführung.
Die Schweizer Regisseurin, seit 2008 Ko-Direktorin am Neumarkt-Theater in Zürich, ist mit ihrem „Unplugged“-Format bekannt geworden: Das hieß Low Budget, Trash, kollektiv erarbeitete Stücke, in denen sie moderne Mythen wie Michael Jackson oder die RAF entzauberte. Für die Kammerspiele musste der Trash zur Abo-Tauglichkeit veredelt werden – herausgekommen ist eine unterkühlte, ironische Nacherzählung von Arthur Penns Kultfilm „Bonnie und Clyde“ von 1967, verschnitten mit Filmzitaten und Diskurs-Häppchen. „Cito, ergo sum“, heißt das selbstreferentielle Credo, das viel Bekanntes verknüpft, inhaltlich aber nichts Neues bringt.
Man gibt sich cool
Barbara Weber geht es um den Pop-Mythos, um die Selbstinszenierung von Bonnie und Clyde, um ihr erklärtes Ziel, berühmt zu werden. Die Serviererin Bonnie (Sylvana Krappatsch) räkelt sich lasziv in Glitzer-Stiefeletten und weißem Kleidchen auf dem Tresen und zündet sich mit einer Pistole die Zigarette an. Als sie Clyde (Oliver Mallison) ertappt, wie er ihr Auto klauen will, haben sich zwei gefunden in dem Wunsch, etwas Besonderes zu sein. Sie geben sich cool und reden in Schlagworten. „Wir führen Krieg gegen die Verhältnisse, Baby“, sagt Bonnie, aber eine gesellschaftskritische Analyse sucht man vergeblich. Die Wirtschaftskrise – heute so aktuell wie vor 80 Jahren – erwähnt Clyde nur kurz als Rechtfertigung; die behauptete Rebellion erschöpft sich in schicken Bildern eines Gangster-Roadmovies.
Glatt und oberflächlich
Die Drehbühne (Sara Giancane) ist auf einer Seite ein großer schwarzer Tresen, auf der anderen ein Bungalow mit Balkon und Veranda, wo beim Familientreffen gegrillt wird. Die Atmosphäre orientiert sich mehr an den 1960er Jahren, als Penns Film entstand, denn an den 30ern. Den Auftritt von Clydes Bruder Buck (Michael Neuenschwander) und seiner Frau Blanche (Annette Paulmann als wunderbar hysterisches Dummchen) inszeniert Weber als zweite Ebene und Making-Of: Sie müssen sich als Schauspieler am Filmset erstmal mit ihren Rollen vertraut machen. Und Stefan Merki als Fluchtauto-Fahrer C. W. Moss will auch endlich in der Zeitung stehen.
Der Mix aus Erzählung, Spiel, Kommentar, Zitaten und leiser Parodie ist in seiner ironischen Distanziertheit durchaus witzig und amüsant, aber auch so glatt wie oberflächlich.
Gabriella Lorenz
Kammerspiele, 16., 23. 2., 1., 6., 18. 3., 20 Uhr, Tel.23396600
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- Michael Jackson