Rote Augen für Jacko: So erlebte München die Premiere von "This Is It"
MÜNCHEN - Es ist 5.45 Uhr. Das „Coffee To Go“-Schild im Kino-Foyer blinkt, Freundesgrüppchen finden sich zusammen. Es ist eine unchristliche Zeit für eine Kino-Premiere, aber eben die erste Möglichkeit, in München die Michael-Jackson-Doku „This Is It“ zu sehen.
Der Kino-Saal im Mathäser ist zu etwa einem Drittel gefüllt. Wer in diese Red-Eyes-Vorstellung geht, ist Fan, was für eine Frage. Um 6 Uhr morgens hatte die Michael-Jackson-Doku „This Is It“ in München Premiere.
Christian ist 36 und hat zu seiner Unterstützung seinen Freund Freund Patrick (30) mitgebracht. Nach dem Film wird der sich für die AZ-Fotografin auf Zehenspitzen vor dem Film-Plakat in Jackson-Pose stellen. Nein, die jungen Schüler-Fans sind nur spärlich vertreten. Hier trifft man die über 30-Jährigen, die Michael durch Kindheit und Jugend begleitet hat. Beinah hätte sich Christian eine Karte für einen der Londoner-Auftritte gekauft. Die Doku soll für ihn ein kleiner Ersatz sein. Schon vor Wochen hat er seine Kinokarte reservieren lassen.
Carolin (25) trägt schwarzen Hut, schwarze Armbinde zur weißen Jacke und einen weißen Handschuh. Um ein Uhr ist sie heute ins Bett, hat von „Film, Kino und Kinokarte kaufen geträumt“ und war um drei Uhr wieder wach. Sie zittert, sagt sie nach der Vorführung und hat gleich mehrere Kinokarten gekauft. 1995 war sie beim „Heal The World“-Kindercasting in Hamburg dabei, wurde aber leider nicht genommen. Seit sie fünf ist, ist sie Fan. Für London hatte sie auch Karten. Jackson jetzt wenigsten ein bisschen zu sehen, hat sie sehr gefreut.
Zu erleben sind in „This Is It“ die Proben für die anstehenden Konzerte, die, wäre die Show realisiert worden, auf alle Fälle visuell überwältigend geworden wären. Nach einen pyrotechnischen Bombardement wäre eine Art Cyberpuppe auf die Bühne geschwebt, hätte sich nach und nach in ihre Einzelteile zerlegt, um Jackson freizugeben. „Smooth Criminal“ hätte Jackson als Video-Einstieg in Humphrey-Bogart-Szenen kopiert. Während des „Earth Songs“ wäre Michael auf der Bühne von einem Bulldozer bedroht worden.
Nein, „This Is It“ zeigt keinen kranken Menschen, der sich durch Konzertvorbereitungen quält. In den Ausschnitten, die im Film zu sehen sind, zeigt sich ein Jackson, der – „I love you all“ – immer freundlich mit seiner Crew umgeht, aber mit unverrückbarer Bestimmtheit Anweisungen gibt. Der seine Duettpartnerin nicht anleitet, sondern führt, der der Band genaueste Soundvorstellungen erläutert. Und der, auch wenn er in der Probensituation stimmlich und tänzerisch selten das volle Energielevel erreicht, zeigt, dass da durchaus Reserven gewesen wären.
Zieht man den Hype ab, bleibt tatsächlich eine intensive Musikdokumentation übrig. „This Is It“ rückt nicht der Privatperson Jackson nahe; die Frage nach den Lebensumständen seiner letzten Wochen wird hier nicht beantwortet. „This Is It“ ist die tragische Geschichte um eine Produktion, die vielleicht eine der überwältigendsten der Pop-Geschichte geworden wäre.
Christian Jooß
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