Rosige Aussichten
Münchens Museen machen keine Pause – im Gegenteil: Von Neo Rauch über die Pop Art bis zum Realismus sind besonders attraktive Ausstellungen zu sehen
Im Sommer sind Museen die Rettung. In der Hitze findet man Kühlung. Normalerweise. In diesem Jahr steht man wenigstens im Trockenen. Das Beste aber: Bis in den September laufen sogar besonders sehenswerte Ausstellungen. Nur für die Super-Schau des Jahres muss man sich beeilen: Neo Rauchs Riesenarbeiten, die schon 165000 Besucher anzogen, sind nur noch bis Sonntag zu sehen.
NEO RAUCH – BEGLEITER
Die Amis sind ganz wild nach ihm. Brad Pitt hat Neo Rauch sogar im Schlafzimmer hängen, sinniert womöglich in schlaflosen Nächten über den Sinn der von bunten Kabeln durchzogenen „Etappe“. Und grübeln kann man eine Menge. Rauch, der mit seinen figurativen Arbeiten zunächst das wohlige Gefühl des Wiedererkennens streut, entzieht sich sodann, lässt Unbehagen zurück. Da dräut es noch aus den letzten Bildritzen. Endzeitstimmung in grellbunten Farben? Durchaus. Aber man weiß es eben nicht so recht. Und das hat etwas ungemein Anziehendes, so wie die großen Rätselbilder, die ganze Horden von Kunsthistorikern zu zum Teil abenteuerlichen Deutungen trieben. Wobei Rauch dem Ganzen noch eins draufsetzt und einen geradezu spielerischen Umgang mit den Topoi der Kunstgeschichte pflegt. Er pendelt zwischen altmeisterlichen Welten, entfacht einen vagen Romantizismus, lässt in der Melancholie seines antiheldischen Personals an Innerlichkeit denken, zuweilen blitzt sogar Velázquez auf, oder ist es doch eher die Spitzweg-Zeit im Comic-Strip?
Pinakothek der Moderne, Di bis So 10 bis 18, Do bis 20 Uhr
ARNULF RAINER
Gleich in der Nachbarschaft kann man den „Über-Maler“ ins Visier nehmen: Mit kraftvollen Pinselstrichen ging der inzwischen 80-jährige Rainer seit den 50ern über eigene und fremde Werke und Fotos. Erst aus Mangel an Leinwand, dann aus Prinzip. Im Klenzebau der Alten Pinakothek sieht man von dunklem Blut überlaufene Kreuze, tragikomische Körperbilder, den eindrucksvollen „Hiroshima“-Zyklus und mehr und mehr Aufhellendes bis zu den aktuellen Übermalungen von Repros aus dem Haus. Etwa Rubens’ attraktive Gattin aus der Geißblattlaube. Und auch im Museum Brandhorst sind 20 Arbeiten Rainers zu sehen.
Alte Pinakothek, Klenzebau, bis 5. September, Di bis So 10 bis 18, Di bis 20 Uhr
ALESSI
Wir bleiben auf dem Terrain der Pinakotheken. Denn die Neue Sammlung entfacht Urlaubsstimmung: Umgeben von blitzenden Kaffeekännchen, Edelobstkörben, Gute-Laune-Korkenziehern und der völlig unbrauchbaren, aber sensationell dekorativen Phil-Starck-Saftpresse fühlt man sich wie in einer italienischen Bar. Und darf sich wundern, dass den Alessi-Leuten immer noch was Abgefahrenes einfällt.
Pinakothek der Moderne, bis 19. September
ARCHITEKTUR
Gleich ums Eck in der Architektursammlung gibt’s Überraschungen. Halb München wurde nach dem Krieg rekonstruiert, und auch sonst ist so manches bekannte Gebäude längst nicht mehr original. Man vergisst das gerne – und rümpft bei Wiederaufbauten die Nase. Weshalb wir am Alten festhalten, auch das erfährt man in dieser „Geschichte der Rekonstruktion“.
Pinakothek der Moderne, bis 31. Oktober
REALISMUS
Ins „Abenteuer der Wirklichkeit“ begibt man sich in der Hypo-Kunsthalle. Die Frage nach der Realität und deren Nachahmung ist ein Dauerbrenner der Kunstgeschichte – und hier fein aufgefächert von Gustave Courbet über Wilhelm Leibl, Edward Hopper, Candida Höfer , Franz Gertschbis zu Tony Matelli.
Hypokunsthalle, bis 5. September täglich von 10 bis 20 Uhr
DER BLAUE REITER
trabt durch den Kunstbau. Das Besondere: Man sieht nicht die üblichen Verdächtigen in Öl, sondern ausgesuchte Grafik aus den reichen Beständen des Lenbachhauses. Darunter Arbeiten von Paul Klee, Alfred Kubin oder Albert Bloch.
Kunstbau Lenbachhaus, bis 26. Sept., Di bis So 10 bis 18 Uhr
POP ART
Zwei absolute Antipoden sind in der Villa Stuck zu sehen. Mel Ramos, der mit seinen vollbusigen Pin-ups in aufreizenden Posen die kalifornische Leichtigkeit plakativen Seins verkörpert – Ironie inklusiv. Andernfalls wär’ das Aufgebot blanker Busen schwerlich auszuhalten. Und auf der anderen Seite Uwe Lausen, genialischer Selbstzerstörer aus dem protestantischen Stuttgart, der alles aufsaugt, was sich ihm in seinem kurzen Leben in den Weg stellt. Im Dauer-Happening aus Kunst, Sex und LSD entstehen verstörende Bilder, die die brave Bürgerlichkeit der Nachkriegszeit entlarven. Denn: Das Grauen lauert im Ohrensessel. Und das Hakenkreuz im Perserteppich.
Museum Villa Stuck, bis 3. Okt. Di bis So von 11 bis 18 Uhr
GRAU ALS FARBE
macht sich im Haus der Kunst breit. Denn der Berliner Künstler Michael Schmidt fotografiert ausschließlich in Schwarzweiß. Und das Bunt der Welt wird zum feinfühlig ausgekosteten Spiel aufregendster Graustufungen. Zu sehen sind u. a. die Serien „Ein-heit“ und „Waffenruhe“, aber auch Neues.
Christa Sigg
Haus der Kunst, bis 22. August, täglich von 10 bis 20, Donnerstag bis 22 Uhr