Robert Dölle spielt Jasmina Reza

Jasmina Rezas Monolog "Anne-Marie die Schönheit" im Residenztheater
von  Mathias Hejny
Robert Dölle als alternde Schauspielerin Anne-Marie im Residenztheater.
Robert Dölle als alternde Schauspielerin Anne-Marie im Residenztheater. © Birgit Hupfeld

Von dem enthusiastischen Schlussbeifall für Robert Dölle am Premierenabend konnte die Figur, die er gerade gespielt hat, nur träumen. Anne-Marie Mille hat zwar ein langes Schauspielerinnenleben hinter sich, aber der Jubel galt immer den Anderen und ihr Name stand, wenn überhaupt, nur sehr klein und ganz unten auf den Plakaten. In "Anne-Marie die Schönheit" lässt Yasmina Reza eine ewige Nebendarstellerin über ihr Leben, die Familie und eine ziemlich beste Freundin parlieren, aus der ein Star wurde.

Der Monolog auf der großen Bühne des Residenztheaters ist die zweite Arbeit der Hausregisseurin Nora Schlocker und des Resi-Schauspielers Robert Dölle, die sich damit als so etwas wie ein Dreamteam für intensive Theatersoli etablieren. Mitten während der Corona-Zeit hatten sie den Roman "Finsternis" von Davide Enia über einen Vater-Sohn-Konflikt vor dem Hintergrund einer Schiffskatastrophe mit Hunderten von ertrunkenen Flüchtlingen vor Lampedusa zunächst für das Internet-Streaming inszeniert, ausgezeichnet mit dem AZ-Jahresstern 2021.

Yasmina Rezas Ruhm basiert vor allem auf bösen und pointensatten Komödien wie "Kunst" oder "Der Gott des Gemetzels", mit denen sie das gehobene Bürgertum auf den kurzen Wegen beobachtet, die es, wenn es im Stress ist, heraus aus der europäischen Zivilisation nimmt.

Die Betrachtungen einer Diva, die nie eine solche war, sind hingegen von melancholischer Poesie. Nur manchmal blitzt ein leicht verfinsterter Witz hervor.

Das Komischste an "Anne-Marie die Schönheit" ist der Titel. Eine Schönheit war sie nie, und das weiß sie auch: "Ich hatte nie ein Filmgesicht", räumt sie ein. Sie sah nicht aus wie Brigitte Bardot oder wenigstens wie ihre langjährige Freundin Giselle Fayolle, die einst Affären mit Alain Delon und Ingmar Bergman gehabt haben soll. "Am Ende", resümiert sie, "hatte Giselle Verdauungsprobleme, ich ein kaputtes Knie".

Seit kurzem ist Anne-Maries Knie aus Titan, und Dölle übersetzt die Einschränkungen durch ein frisch operiertes Bein und das Abgewöhnen des Krückstocks in eine Körpersprache aus Würde und Verletztheit. Diese Mischung prägte Anne-Maries Leben, in dem sie über die Jahrzehnte hinweg ihre Illusionen verlor: "Es heißt, die glücklichsten Leben sind die, in denen nicht viel passiert". Ihr Mann war langweilig, aber "Sie wissen ja, Langeweile gehört zur Liebe dazu". Den Sohn mag sie nicht, "er ist irgendwie hohl".

Ihr glanzvoller Spiegel blieb Giselle, auch wenn es ihr nicht einmal gelang, deren "träge Lässigkeit" wenigstens zu imitieren. Da solches Feststecken im Mittelmaß geschlechtslos ist, war es Yasmina Reza wichtig, die Schauspielerin mit einem Mann zu besetzen. Die französische Dramatikerin widmete den Text ihrem Lieblingsschauspieler André Marcon, für die deutsche Erstaufführung vor zwei Jahren in Freiburg wünschte sie sich Robert Hunger-Bühler.

Wenn das Konzept der Autorin aufgehen soll, muss jeder Versuchung zur Travestie widerstanden werden. Robert Dölle gelingt das bravourös. Der Mann mittleren Alters geht in der alten Dame rückstandslos auf. Auf dem schmalen Streifen vor dem Eisernen Vorhang baute Lisa Käppler einen hellgrauen Hybrid aus Hinterbühne, Theatergarderobe und Pariser Stadtwohnung, in der sich Anne-Maries Erinnerungen manifestieren.

Ganz allmählich gehen sie mit der beginnenden Demenz aber dort auch verloren. Nur die Namen der Theatergruppe aus dem Provinzstädtchen, aus dem sie stammt, kann sie auch ganz am Ende noch flüssig aufsagen.

Wieder am 30. Oktober und 13. November, 19.30 Uhr sowie am 25. Oktober, 5., 10. November um 20 Uhr im Residenztheater.
Karten online auf der Website residenztheater.de und unter Telefon 2185 1940

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