Robbie Williams, der kuschelige Überboy
Kein Mut, keine Ecken, keine Pop-Perlen: Robbie Williams’ neues Album „Reality Killed The Video Star“ wird wohl trotzdem ein Verkaufserfolg
Ein britischer Weltstar Mitte 30: Die kreischenden Mädchen vom Karrierebeginn sind längst Mütter, trotz 55 Millionen verkaufter CDs blieben die USA unerobert und für Exzesse sind Körper und Seele nicht mehr stabil genug. Die Freundin führt zuhause die Hunde aus, während der souveräne Seiltänzer zwischen Mainstream und Selbstentblößung schleichend beim Publikum an Attraktion verliert. Was tun?
Sein neues Album „Reality Killed The Video Star“ hat Robbie Williams als zukunftsweisend eingestuft. Für sich, nicht die Musikgeschichte. Rettung verspricht er sich vom 60-jährigen Produzenten Trevor Horn und einem stilistischen Sprung zurück zu den frühen Nuller-Jahren, als kein Stadion groß genug war, um die Masse der Robbie-Verehrer zu fassen.
Keine Kanten
Horn schrieb mit seiner Band The Buggles 1981 Musikgeschichte, als MTV mit „Video Killed The Radio Star“ den Betrieb aufnahm. Der ironische Albumtitel spielt darauf an. In der Musik-Realität funktioniert die Zusammenarbeit zwischen Horn und Williams bei der schrägen Up-Tempo Nummer „Difficult For Weirdos“ am besten, hier klingt die bombastische Exaltiertheit von Frankie Goes To Hollywood durch – auch eine Erfindung Horns.
Aber neben „Bodies“ und „Last Days Of Disco“ ist dies leider eine der wenigen Möglichkeiten für Robbie, ein paar Ecken zu zeigen. Meisterwerke wie „Me And My Monkey“ sucht man auf dem neuen Werk vergeblich, der Erfindunsgreichtum der Komponisten reicht nicht einmal für eine Pop-Perle wie „Feel“.
Kuschelpop
Der „Überboy“ der Popmusik gibt sich auf seinem neuen Album geläutert und allzu brav. Eine Mundharmonika begrüßt den Hörer beim Auftaktsong „Morning Sun“, einer schönen, aber gnadenlos von Geigen zugestrichenen Ballade. Die Richtung ist vorgegeben: Hier wird mit größtmöglichem Pomp Kuschelpop inszeniert, auch wenn in diesem Kraftwerk der aufgeklebten Gefühle der augenzwinkernde Charme Robbies weitgehend auf der Strecke bleibt.
Da hilft es nicht einmal, dass mit „Blasphemy“ noch ein alter Song aus den glückseligen Zeiten mit Komponist Guy Chambers auf das Album wanderte. Robbie hat mit dem neuen Album ein wenig mutlos den Weg zum sicheren Verkaufserfolg eingeschlagen.
Volker Isfort
Robbie Williams: „Reality Killed The Video Star“ (Virgin/EMI)
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