Renate Höhne lebte 25 Jahre mit einem Mörder

Renate Höhne war 25 Jahre mit einem Mann zusammen, der sich am Ende als Doppelmörder entpuppte. Was sie erlebt hat, erzählt sie im Interview.
(hub/spot) |
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München - Bis zum 11. Dezember 2010 dachte Renate Höhne, dass sie mit ihrem Ehemann Detlef ein normales, glückliches Leben führt. Dann stürmen Polizeibeamte der Kripo Stuttgart das Haus. Es stellt sich heraus: Detlef ist ein gesuchter Doppelmörder, der innerhalb weniger Wochen zwei Männer getötet hat. Anschließend erfährt die geschockte Ehefrau mehr vom Doppelleben des Mannes, der sie 25 Jahre lang getäuscht hat. Ihre Geschichte hat sie in dem Buch "Und ich habe nichts geahnt. Ich war jahrelang mit einem Doppelmörder verheiratet. Dann kam alles ans Licht" (mvg Verlag, 192 Seiten, 16,99 Euro) aufgeschrieben. Im Interview mit spot on news spricht sie über ihre Erlebnisse.

"Und ich habe nichts geahnt: Ich war jahrelang mit einem Doppelmörder verheiratet. Dann kam alles ans Licht" gibt es hier

 

Ihr Ex-Mann ist 2012 wegen zweifachen Mordes verurteilt worden. "Er hat eine fest eingewurzelte Neigung zum Töten", hat die Richterin festgestellt. Sie haben ein Vierteljahrhundert mit diesem Mann verbracht. Wann haben Sie sich entschieden, Ihre Geschichte aufzuschreiben?

 

Renate Höhne: Beim Schreiben ist tatsächlich alles wieder hochgekommen und noch einmal gegenwärtig geworden. Dass ich damit an die Öffentlichkeit gehen will, habe ich nach meinen Klinikaufenthalten entschieden. Dreimal war ich dort in Behandlung, wobei man mir klar gemacht hat, dass ich das nicht verschweigen darf, dass ich darüber sprechen soll. Und dass mir das helfen würde, damit abzuschließen.

 

Sie haben das Buch aber nicht nur für sich selbst geschrieben...

 

Höhne: Ich wollte dieses Buch auch für andere Frauen schreiben - zeigen, dass man besser hinschauen und nicht alles glauben soll. So etwas kann immer passieren. Es muss natürlich nicht so ausarten wie bei meinem Ex-Mann. Aber ich glaube, viele Frauen machen sich etwas vor und wollen nicht richtig hinsehen.

 

Sie haben noch bis zum Prozess an Ihren Ex-Mann geglaubt. Wann kam der Punkt, an dem Ihnen klar geworden ist, dass der Mann, den Sie lieben, wirklich ein Mörder ist?

 

Höhne: Ich wusste vor der Verhandlung nichts von seinem Doppelleben. Es ging um die Morde und damit habe ich überhaupt nichts zu tun. Das habe ich von mir abgespalten, sonst wäre es noch viel schlimmer geworden. Ich habe immer noch gedacht, dass das eine mit dem anderen nichts zu tun hat, dass seine Gefühle für mich echt seien. Als der Prozess dann anfing, habe ich von seinem Doppelleben erfahren. Und das hat wiederum ganz viel mit mir zu tun. Am ersten Verhandlungstag durfte ich nicht teilnehmen, weil ich noch als Zeugin geladen war. Eine Freundin von mir war im Gerichtssaal und erzählte mir hinterher alles. Ich konnte es gar nicht glauben. Und dann kamen die Zweifel und die Gedanken, dass die ganzen Jahre dann doch wohl nur ein Theater waren und ich seine Marionette, bei der er wusste, welche Strippen er ziehen musste.

 

Er hat unter anderem ohne Ihr Wissen Ihr gesamtes Vermögen durchgebracht, mehrere Hunderttausend Euro.

 

Höhne: Ja, das habe ich erst ganz am Schluss mitbekommen. Als ich zum ersten Mal in einer Klink war, wurde ich dort von der Kripo vernommen, die Beamten haben mir das dann gesagt.

 

Ihr Ex-Mann hatte Sie mit Männern und Frauen betrogen. Würden Sie rückblickend sagen, es gab doch Anzeichen, auf die Sie hätten hören müssen?

 

Höhne: Ich habe nichts gemerkt, gar nichts. Weder, dass er was mit Frauen, noch mit Männern hatte. Aber das hatte er, viel sogar. Ich dachte immer, ich hätte einen lieben Ehemann.

 

Sie haben sich auch selbst mit der Frage gequält, ob die Menschen, die Ihr Ex-Mann getötet hat, noch leben könnten, wenn Sie genauer hingeschaut hätten. Wie gehen Sie heute damit um?

 

Höhne: Ich denke oft darüber nach. Ich hätte das nicht verhindern können. Da bin ich mir jetzt ganz sicher. Sein Doppelleben führte er von Anfang unserer Beziehung bis zum Schluss.

 

Als alles ans Licht kam, wurden Sie teilweise mit Ihrem Ex-Mann in einen Topf geschmissen, man war sich nicht sicher, ob Sie nicht mit ihm unter einer Decke stecken. Wie hat Ihr engstes Umfeld reagiert?

 

Höhne: In der ersten Zeit stand keiner zu mir, alle haben sich von mir abgewendet. Sie wussten einfach nicht, wie sie damit umgehen sollten. Am Anfang dachte ich auch, dass ich vielleicht ein bisschen mitschuldig bin. Ich bin nicht mehr vor die Tür gegangen, weil ich den Menschen nicht mehr in die Augen sehen konnte. Das war eine schlimme Zeit. Dann habe ich durch meine Klinikaufenthalte gelernt, dass ich auf keinen Fall irgendeine Mitschuld bei mir suchen darf. Die habe ich einfach nicht.

 

Ihre Familie war Ihrem Ex-Mann gegenüber die ganze Zeit skeptisch...

 

Höhne: Ja, danach kamen natürlich auch Sätze wie "Wir haben es ja gleich gesagt". Aber es war meine Entscheidung, mit diesem Mann zu leben. Und im Nachhinein hat sich das als negativ herausgestellt. Das kann ich nicht ändern. So etwas sieht man normalerweise im Kino oder Fernsehen. Aber man denkt doch nicht, dass einem das selber passiert. Heute ist der Kontakt zu meiner Familie aber wieder gut.

 

Von Ihrem Geld ist nie wieder etwas aufgetaucht. Sie mussten nach der Verurteilung Ihres Ex in die Grundsicherung gehen.

 

Höhne: Das ganze Geld ist weg. Ich lebe jetzt von gar nichts, muss jeden Cent umdrehen, kann mir nichts mehr leisten. Und dabei habe ich früher sehr gut gelebt, sehr viel verdient. Jetzt sitze ich hier in einer kleinen Wohnung, die große konnte ich nicht mehr bezahlen. Mein Leben hat sich total verändert. Das empfinde ich als ganz große Ungerechtigkeit. Das ist eine Mitverurteilung meiner Person. Er war Beamter und ist durch den Urteilsspruch unehrenhaft entlassen worden. Das heißt, er hat keine Pension mehr und ich dadurch auch nicht. Dass ich überhaupt kein Geld bekomme, ist für mich schwer einzusehen. Ich habe ja nichts getan. Ich bin sogar aus der Krankenkasse geflogen und musste große Anstrengungen unternehmen, um wieder in eine aufgenommen zu werden. Auf einmal war ich nur noch ein Niemand. Und bekam immer noch eins drauf.

 

Ihr Buch endet trotzdem mit den Sätzen: "Ich habe genug gelitten. Das Leben ist schön."

 

Höhne: So sehe ich das jetzt auch wieder. Ich kann nicht den Kopf in den Sand stecken, das Leben geht weiter und es wird auch für mich wieder schön sein. Ich erfreue mich wieder an Sonnenschein oder Blumen. Das konnte ich lange Zeit gar nicht.

 

Kann man so eine Geschichte irgendwann komplett verarbeiten?

 

Höhne: Ich bin zwar im Moment nicht in Behandlung, würde aber nie sagen, dass ich das verarbeitet habe. Es ist einfach zu fürchterlich gewesen, als dass man diese Sache abhaken könnte. Das wird immer zu meinem Leben gehören. Aber ich gehe jetzt anders damit um und kann es aushalten. Mein Ex-Mann ist mir inzwischen egal, was lange Zeit nicht der Fall war. Ich will auch gar keinen Kontakt mehr zu ihm. Insofern kann ich wieder positiv in die Zukunft blicken. Nur die Sache mit dem Geld belastet mich: Ich bin 68, zuckerkrank und kann nicht mehr arbeiten gehen.

 

Die Psychologen haben Ihnen dazu geraten, sich neu zu verlieben. Wie schwer ist es, einem Mann wieder Vertrauen zu schenken?

 

Höhne: Verliebt bin ich nicht. Ich hatte einige Bekanntschaften durch das Internet. Aber jemanden fürs Leben habe ich nicht gefunden. Ob ich jemals wieder totales Vertrauen zu einem Mann haben kann, weiß ich nicht.

 

 

 

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