Reizvolle Akzente
Die Mezzosopranistin Heike Grötzinger singt an der Staatsoper in München vor allem Nebenrollen. Doch ihr Debüt an der Mailänder Scala und damit als internationale Sängerin ist bereits geplant.
Das Warten ist Teil unseres Berufs.“ Heike Grötzinger sagt das gelassen. „Manchmal weiß man nicht, auf was man wartet, aber in der Regel lohnt es sich.“ Gerne wartet die Mezzosopranistin auf Regisseure wie Peter Konwitschny oder Robert Lehmeier, die die Figuren „ins große Ganze einbinden“ oder einen „liebevollen Blick auf das Menschlich-Groteske“ werfen.
Ansonsten musste Heike Grötzinger eigentlich nie lange warten: Zumindest ging ihre berufliche Laufbahn kontinuierlich voran. Nachdem sie 1996 ihr Kölner Gesangsstudium mit Auszeichnung abgeschlossen hatte, war sie von 1999 bis 2002 Ensemblemitglied in Münster. 2002 sang sie unter Christian Thielemann an der Deutschen Oper Berlin in Wagners „Walküre“, im gleichen Jahr gab sie ihr München-Debüt. Seit 2005 ist sie Ensemblemitglied an der Bayerischen Staatsoper.
Intensive Rollenvorbereitung
„Für mich ist das das internationalste Haus in Deutschland“, schwärmt Grötzinger. „Das ist sehr inspirierend.“ Damit meint sie auch, dass sie sich mit Kollegen austauscht. Denn sie will es genau wissen: „Wenn ich mich auf eine Rolle vorbereite, informiere ich mich und lese viel.“ In München sind ihre Partien hauptsächlich Nebenrollen. „In ihnen entscheidet sich häufig erst die Handlung“, sagt Grötzinger.
„Das Mezzo-Fach hat mit die vielschichtigsten Charaktere.“ Warum? „Ich glaube, dass es auch am stimmlichen Facettenreichtum liegt.“ Ihr großes Mezzo-Vorbild heißt Trudeliese Schmidt, sie ist 2004 verstorben. Und Grötzinger ist kritisch: Bevor sie eine Partie in einer bestehenden Inszenierung übernimmt, besucht sie diese. So war das auch beim neuen Münchner „Nabucco“ von Yannis Kokkos, in dem sie nach der Premiere die Fenena übernommen hat.
Noch ohne Debüt an der Mailänder Scala
„Ich habe gesehen, dass ich der Partie einen Farbakzent geben kann. Das hat mich gereizt.“ Am 31. Juli singt Heike Grötzinger bei den Münchner Opernfestspielen die Magdalena in Wagners „Meistersinger von Nürnberg“. „Eigentlich hätte ich in dieser Rolle 2010 unter Zubin Mehta mein Debüt an der Mailänder Scala geben sollen, aber die Produktion wurde leider abgesagt.“
Das Scala-Debüt holt sie 2011 nach, „mehr möchte ich noch nicht sagen“. Dafür verrät sie, wo sie Kräfte tankt: „Mit meinem Hund spaziere ich gerne durch den Englischen Garten.“ In die Berge wandert sie hingegen nicht so gerne: „Ich brauche den ungehinderten Blick auf den weiten Horizont.“ Hier äußert sich wohl auch ihre niederrheinische Herkunft.
Grötzinger stammt aus einem musischen Lehrerhaus, Familie und Freunde sind ihr sehr wichtig. Kinder hat sie keine, aber sie ist zweifache Patin. „Seit Januar unterstütze ich ein Mädchen und ihr Dorf in Kambodscha, vergangene Woche wurde ich Patin eines Kindes von Freunden.“ Denn sie ist eine treue Seele, auch beruflich.
Musikalische Vorbilder und Premieren
So besteht Heike Grötzinger darauf, dass man den ehemaligen Münsteraner GMD Will Humburg nennt: „Ich habe ihm musikalisch viel zu verdanken, mit ihm würde ich gerne wieder arbeiten.“ Doch zunächst steht die erste Zusammenarbeit mit Kent Nagano an: Im November singt sie in der Premiere von Alban Bergs „Wozzeck“ die Margret.
Bleibt nur noch eine Frage: Gab es bislang auch Niederlagen und Krisen? „Eine Freundin hat mir mal gesagt, das Leben sei eine liegende Acht - ein Rauf und Runter. Aber wenn man tief unten knien muss, kann man aus den Knien umso höher springen. Das ist ganz gut zu wissen.“ Heike Grötzinger lächelt besonnen. „Je älter ich werde, desto wichtiger sind mir Fehlbarkeit und Glaubhaftigkeit. Beides gehört zusammen."
Marco Frei