Interview

Regisseur Harrich: "Wasser ist nicht alles, aber ohne Wasser ist alles nichts"

"Bis zum letzten Tropfen": Die ARD widmet sich im großen Stil dem Thema Wassernotstand. Der Münchner Daniel Harrich hat dazu einen Spiel- und Dokumentarfilm gedreht. Ein Interview.
Adrian Prechtel
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Der Vertreter der Firma PureAqua (Ulrich Tukur) hat Lauterbronn für ein Werk im Auge. Der Bürgermeister (Sebastian Bezzel) soll die Privatisierung der Wasservorkommen genehmigen. Die Umweltministeriumsmitarbeiterinnen (Karoline Schuch, links/Neda Rahmanian) befürworten den Plan.
Der Vertreter der Firma PureAqua (Ulrich Tukur) hat Lauterbronn für ein Werk im Auge. Der Bürgermeister (Sebastian Bezzel) soll die Privatisierung der Wasservorkommen genehmigen. Die Umweltministeriumsmitarbeiterinnen (Karoline Schuch, links/Neda Rahmanian) befürworten den Plan. © SWR/Diwafilm

München - AZ-Interview mit Daniel Harrich (38): Der gebürtige Münchner hat mit seiner Form des investigativen Filmemachens schon viel bewegt - zur Aufarbeitung der vertuschten Hintergründe des Oktoberfestattentats 1980 und zum illegalen deutschen Waffenexport.

Jetzt hat sich Daniel Harrich einem verdrängten Thema zugewandt, dem Wassernotstand: ein globales Phänomen, das Deutschland erreicht hat.

Regisseur Daniel Harrich bei der Voraufführung des Spielfilms "Bis zum letzten Tropfen" in Berlin.
Regisseur Daniel Harrich bei der Voraufführung des Spielfilms "Bis zum letzten Tropfen" in Berlin. © imago images/Raimund Müller

"Bis zum letzten Tropfen" wurde diese Woche auch dem deutschen Bundestag gezeigt. Am heutigen Mittwoch (16. März) sind Harrichs "Dorfwestern" und anschließend der gleichnamige Dokumentarfilm "Bis zum letzten Tropfen" zu sehen.

Harrich: "Klimawandel ist für uns gefühlt eine Katastrophe in Zeitlupe"

AZ: Herr Harrich, Sie fragen: Wem gehört unser Wasser? Und das vor der schockierenden Hintergrundfrage: Wieviel ist überhaupt noch da?
DANIEL HARRICH: Ein andauernder Umweltalarmismus stumpft uns zwar leider ab. Aber uns muss klar werden: Die Wasserkrise ist massiv bei uns angekommen, aber keiner will darüber reden geschweige denn handeln.

Und woher nehmen Sie Ihr Katastrophenbild?
Wir haben für unseren Film zum Beispiel geheime NASA-Unterlagen bekommen: Von Satelliten aus wird da seit 20 Jahren auf der Welt die Wassermenge im Boden gemessen - Oberflächen- Grund und Tiefenwasser. Und die Daten für uns sind desaströs, weil sie einen der höchsten Rückgänge nicht in Regionen, wo man das ohnehin vermuten würde, ausweisen, sondern für Deutschland - und da besonders Bayern und Lüneburg. Klimawandel ist für uns ja trotz großer Umwälzungen gefühlt eine Katastrophe in Zeitlupe. Das allein stimmt schon nicht mehr. Und es wird zu leicht vergessen: Es gibt unumkehrbare Kipppunkte, wo es dann eben auch sehr schnell geht - wenn der beschworene "deutsche Wald" vertrocknet und Ackerbau nicht mehr möglich ist.

Harrich: "Wer mich kennt, weiß, wie ich arbeite: alles faktenbasiert"

Interessant, wenn man bedenkt, wieviel grüne Regierungsbeteiligung wir ja seit Längerem in Deutschland haben.
Ich habe bei den Themen Oktoberfestattentat oder deutsche Waffenlieferungen immer gedacht: Das wird schwierig, mit Politikern darüber zu reden. Aber ich habe das immer geschafft. Bei diesem "grünen" Thema habe ich gedacht, es wäre ein Selbstläufer. Das Gegenteil war der Fall: Umweltministerin Steffi Lemke ist da auf Tauchstation, Robert Habeck weicht aus.

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Aber warum ist das so?
Es ist unpopulär und "uninteressant". Denn bisher sagen zwar alle Wissenschaftler auf diesem Gebiet und selbst Mitarbeiter staatlicher und kommunaler Behörden, dass wir auf eine Katastrophe zusteuern, aber die Politik lässt das verhallen. Es geht um größere Zeiträume als einen Vier-Jahres-Rhythmus ,und es berührt auch Wirtschaftsinteressen. Im Spielfilm heute Abend gibt es auch die Figur der Umweltministerin, die ins Wasser-Beraterteam Vertreter eines großen Nahrungsmittelkonzerns beruft, der Tiefenwasser in Mineralwasserflaschen füllen will. Und wer mich kennt, weiß, wie ich arbeite: alles faktenbasiert. Und man muss nur schauen, wer in Deutschland gerade eine neue nationale Wasserstrategie entwickeln soll...

Man sagt, die nächsten Kriege werden um Wasser geführt.
Klar, Krisen gibt es ja schon in Indien oder Äthiopien und weiteren Brennpunkten wie auch in den USA. Wir haben seit 2015 fast nur noch Trockenheitsrekorde - einschließlich bei uns diesen Winter. Wir haben jetzt das Thema ganz nah zu uns herangeholt - in ein fiktives Dorf im Taunus und erzählen da einen wahren Heimatwestern ums Wasser. Da geht es natürlich auch um Firmen wie Coca Cola, Vio, Nestlé, oder man kann auch an Tesla denken oder an Treuchtlingen mit seinen Problemen mit einem Mineralwasserkonzern, das Altmühltaler Wasser abfüllt.

"Man kann das wichtigste Allgemeingut nicht einfach billig privatisieren"

Was könnte man sofort tun?
Einfach mal den Wissenschaftlern und Fachleuten zuhören, Wasserentnahmerechte stoppen oder zumindest Preise für die Entnahme extrem erhöhen statt eines üblichen symbolischen Wasserpfennigs für den Kubikmeter, also 1.000 Liter. Das ist Hohn bei einem knappen Gut. Man kann das wichtigste Allgemeingut nicht einfach billig privatisieren. Wasser ist nicht alles, aber ohne Wasser ist alles nichts.

Es gibt aber schon viele Initiativen, die Druck machen.
Und viele sind jetzt schon genervt. Dabei müsste der Druck ja noch viel stärker werden, weil das Versagen der Politik total ist. Ich will mit meinen Filmen ja auch nicht nerven, sondern bewegen. Und da finde ich es schon mal einen Gewinn, wenn die ARD das zu einer ganz großen und auch längeren Sache macht - mit einer Mitmach-Aktion oder der Crowd-Science-Aktion, bei der gesammelte Eindrücke der Zuschauer wissenschaftlich ausgewertet werden.


ARD, Mittwoch, 16. März, 20.15 und 21.45 Uhr - zusätzlich will die ARD mit einer Social-Media-Einbindung und einer Doku-Reihe "Durst - Wenn unser Wasser verschwindest" in der Mediathek Zuschauer animieren, sich dem Thema Wassernotstand zu widmen. Selbst mitmachen kann man zu Fragen wie "Wie viel Wasser wird für Dich verbraucht? oder "Wo verschwinden unsere Bäche und Teiche? Mehr dazu unter daserste.de

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2 Kommentare
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  • Der Münchner am 18.03.2022 10:11 Uhr / Bewertung:

    Sieh an, richtig wichtige Themen interessieren keinen!

  • Der Münchner am 16.03.2022 07:57 Uhr / Bewertung:

    Trinkwasser ist das best kontrolierteste Lebensmittel! Eigentlich haben wir in München mehr als genug davon. Trotzdem schleppen die Leute das Wasser aus dem Supermarkt nach Hause. Hier könnte man schon Transport, Flaschen und Herstellungsenergien einsparen und so was gutes für die Umwelt tun. Abgesehen davon das ich anderen Regionen das Wasser wegnehme.

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