Regietheater mit Ziegen

Auch im Chiemgau gibt’s einen Grünen Hügel samt Bratwürsten: „Der fliegende Holländer“ von Richard Wagner beim Opernfestival auf Gut Immling nahe Bad Endorf
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Auch im Chiemgau gibt’s einen Grünen Hügel samt Bratwürsten: „Der fliegende Holländer“ von Richard Wagner beim Opernfestival auf Gut Immling nahe Bad Endorf

Die Atmosphäre ist einmalig: Vom einsam im Wald gelegenen Weiler schweift der Blick weit hinaus aufs schöne Chiemgau. Die scharf gewürzten Bratwürste schmecken besser als in Bayreuth. Und auf den Sesseln der einstigen Reithalle sitzt es sich auch viel bequemer.

Im 14. Jahr seines Bestehens wagte der Grüne Hügel bei Bad Endorf seinen ersten Wagner. Die oft sträflich unterschätzten Münchner Symphoniker brillierten als Opernorchester. Mit etwas persönlicheren Tempi und ausdrucksvoller gestalteten Schlüsselstellen könnte die klar schlagende, aber zu sehr auf Sicherheit bedachte Dirigentin Cornelia von Kerssenbrock wahre Wagnerwonnen bescheren.

Ein paar Pannen steigern nur den Charme

Das dürfte sich nach der Premiere ebenso einrenken wie der Patzer des aus lokalen Kräften gebildeten Festspielchors bei „In Gewitter und Sturm“. Schade nur, dass wegen zu knapp bemessener Herren die Spukszene unter ihren dramatischen Möglichkeiten blieb. Die überwiegend russische Herkunft der wenig subtil singenden Solisten minderte zwar die Textverständlichkeit, kaum jedoch den Charme der Darbietung.

Schön anzusehen war das blau-kühle Seestück des Babykostfabrikanten Claus Hipp. Sein Bühnenbild hätte bestens zu einer romantischen Wagner-Deutung gepasst. Ein populäres Festival bräuchte sich dessen auch in Zeiten des Regietheaters nicht zu schämen. Aber die Schwester der Dirigentin wollte mehr: Verena von Kerssenbrock braute einen dünnen Aufguss frei nach Harry Kupfers Bayreuther Inszenierung von 1978. Zum wiederholten Male ereignete sich die Geschichte in Sentas Kopf, was mangels klarer Personenführung allerdings erst in den letzten Minuten wirklich herauskam.

Ersatzweise gab es tätowierte Schaufensterpuppen sowie ein als Puzzle über die Bühne verstreutes Porträt des bleichen Seemanns. Zum Chor „Steuermann, lass die Wacht“ wurde eine Prostituierte rangenommen. Daland navigierte sein Schiff mit dem Netbook und servierte zur Verlobung seiner Tochter mit dem Fliegenden Holländer eine Schwarzwälder Kirschtorte.

Den Spaß verdirbt das alles nicht wirklich. Denn in Immling besteht die einmalige Gelegenheit, den Quatsch in der Pause mit Ziegen und Ponys zu diskutieren. Das wiegt vieles auf.

Robert Braunmüller

Wieder am 2., 4., 10., 16., 24., 30. Juli sowie am 6. August. Infos: www.gut-immling.de

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