„Red Piano Show“: Sir Eltons Gespür für Plüsch
Im auf Spielfilmlänge - eine Stunde, 45 Minuten - streng durchkomponiertem Ablauf zieht Elton John alle Register: Die „Red Piano Show“ von Elton John in der ausverkauften Olympiahalle.
Am Ende gibt es keine Zugabe, aber einen Abspann, der wie zum Finale eines Kinofilms über die Videowand hinter Elton John läuft. Das sagt viel über die „Red-Piano"-Show des 61-jährigen Briten, deren Deutschlandpremiere am Samstagabend in der bis auf den letzten Platz ausverkauften Olympiahalle über die Bühne geht. Mit einem Rockkonzert im gewohnten Sinne hat die in Las Vegas konzipierte und schon 200 Mal erprobte Aufführung nicht viel zu tun.
Schwüle Casino-Sex-Optik
Im auf Spielfilmlänge (eine Stunde, 45 Minuten) streng durchkomponiertem Ablauf zieht Elton John alle Register: Aufwendige Begleitvideos mit Justin Timberlake oder Pamela Anderson. Lichtinstallationen mit Las-Vegas-Flair. Und eine aufblasbare Dekoration im XXL-Format, die mit Busen, Frauenbeinen und Bananen mehr ein- als zweideutig schwüle Casino-Sex-Optik vermittelt. Es herrscht eine Aura von Plüsch und Pomp, verbunden mit entspannter Showatmosphäre im leicht gesetzten Publikum. Käme irgendwann Thomas Gottschalk auf die Bühne, um die nächste Saalwette anzukündigen, würde das kaum irritieren.
Das Ganze ist perfekt und abwechslungsreich inszeniert: Elton John, in einer Mischung aus Frack und Sack mit weißen Schuhen, ist stets zu Späßchen bereit und unterhält auf höchstem Niveau. Alles läuft wie am Schnürchen, und dass das nicht selbstverständlich ist, merken die Zuschauer nur einmal: Als von den vier Riesenbuchstaben L, O, V und E das O seinen Dienst versagt und von der Bühne getragen werden muss.
Auch die Songauswahl ist prägnant, Sir Elton spielt fast alle Gassenhauer, vor allem die Balladen: „Your Song“, „Rocket Man“, „Goodbye Yellow Brick Road“ und natürlich „Candle In The Wind“. Seine fantastische Stimme ist noch immer eine Ausnahmeerscheinung, sein Klavierspiel am roten Flügel ebenso. Immer, wenn er in Gefahr ist, ins Claydermaneske abzugleiten, kommt ihm der richtige Hauch von Blues und Rock über die Lippen – und in die Finger: Elton John ist auch nach 40 Jahren hochpräsent und stilsicher. Das gilt leider nicht für die fünfköpfige Begleitband, die den Soundtrack zur Show so routiniert abspult, als ob es sich um Karaoke-Tracks handeln würde.
Ehe es in der bestuhlten Olympiahalle zu beschaulich wird, geht Elton John mit dem Tommy-Klassiker Pinball Wizard von The Who und einer Reihe weiterer Uptempo-Nummern dazwischen. Doch als der Abspann läuft, bleibt die Erkenntnis: Weniger wäre mehr gewesen.
Frank Müller