"Reduce, Reuse, Recycle" Architektur und Ökologie
Man mag es eigentlich nicht glauben. Kulturelle Institutionen zeigen Ausstellung um Ausstellung zum Thema Kreislaufwirtschaft. Derzeit widmet sich die Bayerische Akademie der Schönen Künste in München unter dem Titel "Recycling, Reuse, Reduction" (kurz: RRR) architektonischen Ideen und Entwürfen von Anna Heringer und Muck Petzet. Es geht um wieder verwerten, wieder benutzen, beschränken, Verbräuche reduzieren.
Wenn man sich aber auf Baustellen in unseren Städten und Ortschaften umschaut oder Planungen verfolgt, sieht man, dass alles beim Alten bleibt. Immer noch dominiert dort der Abriss etwas älterer, meist funktionierender und durchaus für die Zukunft fit zu machender Gebäude. Sie werden kurz und klein gehackt, dem Boden gleich gemacht. Wie die Ausstellungsorganisatoren anmerken ist (nicht nur) München "nach wie vor eine Stadt, in der ungebremst großflächig gut nutzbare Gebäude abgerissen werden".
Die Reste, in denen eigentlich die sogenannte "Graue Energie" gespeichert ist, verfrachtet man auf immer größer werdende Deponien, die oft genug auch noch Giftstoffe anhäufen. Dabei wäre ein radikales Umdenken - nicht nur im Sinne eines konsequenten Klimaschutzes - längst das Gebot der Stunde. Die ausgestellten anerkannten Architektur-Protagonisten Anna Heringer und Muck Petzet fordern es ein und machen es vor - auf unterschiedliche Weise.
Petzet präsentiert in der Ausstellung neben zwei Münchner Projekten - der Hirmer-Parkgarage an der Fußgängerzone und dem Gesundheitshaus an der Dachauer Straße - die von ihm schon auf der Architektur-Biennale von 2012 in Venedig vorgestellte RRR-Strategie. Das System stammt aus der Abfallwirtschaft und propagiert eine Hierarchie von Vermeidung, Wiederverwendung und Recycling.
Um den Klimanotstand nicht weiter zu beschleunigen, müssten wir uns an vergessene Grundprinzipien - wie den geringstmöglichen Eingriff und sparsamsten Materialverbrauch - erinnern. Tun wir aber nicht. Zwar ist es inzwischen so, dass man beim Abreißen und Neu-Betonieren angesichts der krassen Ökobilanz des Bauens ein schlechtes Gewissen hat. Das reicht aber nicht. Also fordert Petzet: Neue, auf diese künftigen Anforderungen angepasste Verordnungen, ein Abrissmoratorium für die nächsten 20 Jahre - und: definierte und kontrollierte städtische CO2-Budgets für das Bauwesen und den Gebäudebetrieb.
Petzet demonstriert mit Plänen, Texten, Animationen, dass aus dem nüchternen Gesundheitshaus im Münchner Nordwesten ein ansprechendes Haus für anspruchsvolles Wohnen entstehen könnte und aus der Parkgarage der Altstadt ein die Innenstadt aktivierendes und bereicherndes Stadthaus mit pulsierendem urbanem Leben - nicht für den Kommerz, sondern für die Bewohner. Dabei, so rechnet er vor, können so viele CO2-Emissionen eingespart werden wie für den Bau von etwa 1200 Sozialwohnungen nötig sind. Eindrucksvoll.
Anna Heringer geht andere Wege. Sie zeigt anschaulich das wohl einzige Baumaterial, das ohne Qualitätsverlust beliebig oft wieder verwendet, in natürliche Kreisläufe zurückgeführt werden kann und dabei keine gesundheitlichen Gefahren heraufbeschwört: Lehm. Damit man sich das auch vorstellen kann, sind unterschiedlich verarbeitete Produkte zu sehen.
Das reicht von gewöhnlichen Lehmziegeln über gepresste, dekorierte Platten bis hin zu mit Bambus vermischten Dämmstoffen oder gar polierten Lehmkugeln, die fast an Marmor erinnern. Daneben sind Modelle, Zeichnungen und Fotografien von Gebäuden zu sehen, die Heringer derzeit hier in unseren Breiten plant und baut, etwa einen Gebärraum in Hittisau oder den Campus St. Michael in Traunstein.
Im Dorf Rudrapur in Bangladesch gründete Heringer gemeinsam mit den Schneiderinnen Elke Burmeister und Veronika Lang die Frauenkooperative Dipdii Textiles. Damit den dort lebenden Frauen eine einkömmliche Alternative zu den miserablen, meist gesundheitsgefährdenden Bedingungen in den großen Textilfabriken des Landes geboten wird.
Mehrfach gebrauchte Saristoffe werden zu Decken vernäht, die eine einzigartige lebendige und zugleich weiche Oberfläche erhalten. Daraus entstehen dann besondere Einzelstücke - mit einer Botschaft: Gute Qualität ist nicht eine Frage der Ausbeutung immer neuer Ressourcen. Schönheit kann sich auch durch Addition einer zusätzlichen "Schicht" aus Handwerk, Kreativität und persönlicher Historie entfalten. Die Textilien, darunter zahlreiche Wandbehänge, sind käuflich zu erwerben.
Max-Joseph-Platz, Residenz, bis 21. Oktober, Di - Sa, jeweils 11 bis 17 Uhr
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