Rechteckig - farbig - gut!

Die auf die Tube drückten: Die Ausstellung „Mondrian und De Stijl” im Kunstbau des Lenbachhauses zeigt die stilbildenden Werke der niederländischen Künstlergruppe
von  Christa Sigg

Über die Frisurenmode der Achtziger legen wir mal lieber das Kopftuch des Schweigens. Dafür kamen die elementar wichtigen Helferchen wie Haarlack oder Wetgel wirklich chic daher. Rechtecke in Gelb, Blau und Rot, drumrum ein schwarzes Raster und alles auf weißem Grund – mit diesem Design auf Dosen und Tuben hatte die Firma L’Oréal 1986 den Coup schlechthin gelandet. Und dabei auf 65 Jahre altes Design zurückgegriffen. Denn was so futuristisch wie klassisch, so einfach wie einprägsam daher kam, war nichts anderes als das Prinzip „Mondrian und De Stijl”.

Dieser im wörtlichen Sinne stilbildenden Künstlergruppe und ihrem Hauptprotagonisten ist nun im Kunstbau des Lenbachhauses eine überraschend vielseitige Schau gewidmet. Die erste große überhaupt in Deutschland. Was einigermaßen erstaunt, denn neben dem Bauhaus hat im 20. Jahrhundert vor allem De Stijl bis in die Details des Alltags gewirkt. Architektur, Reklame, Kunstgewerbe, Mode, Möbel – auch wenn uns manches allzu konstruiert, in Geometrie zerstückelt und oft wenig komfortabel vorkommt. Wer vor Gerrit Rietvelds berühmtem „Rot-blauen Stuhl” steht, kann sich beherrschen, und erst recht sein „Berlin Chair”, den man im Kunstbau ausprobieren darf, hat was von unbequemer Rückenschule.

Auf der Suche nach einer besseren Welt

Neben Piet Mondrian und Theo van Doesburg zählt der gelernte Schreiner zu den bekanntesten Köpfen dieser niederländischen Konstruktivisten. Im Kunstbau rücken nun auch die anderen ins Blickfeld: Vilmos Huszár mit seinen mechanischen Tanzfiguren, der überaus subtil agierende Bart van der Leck, von dem hier wunderbare Keramik zu sehen ist, oder Friedrich Vordemberge-Gildewart, der schließlich in den 50er Jahren die legendäre Hochschule für Gestaltung (HfG) in Ulm mitprägen sollte.

Und was man heute so sehr mit einem einheitlichen Stil verbindet, zeigt sich hier in erstaunlich vielen Facetten. Nur in einer Hinsicht war man sich einig: Alles im Leben sollte gut gestaltet sein. Eine bessere Welt wollte man auf diese Weise schaffen – auch das verbindet De Stijl mit Werkbund, Bauhaus und später der HfG. Die Welt wurde bekanntlich nicht besser, dafür die Kunst mächtig aufgemischt. Wobei die namensstiftende, fast unscheinbare Zeitschrift „De Stijl” eine entscheidende Rolle spielte. Übrigens mit einer Mini-Auflage von 1000 Stück und gerade mal 100 Abonnenten. Offenbar wurde das Blatt aber von den richtigen Leuten gelesen.

Aufgebrezelte Autos und coole Haarspray-Dosen

Mehr noch verblüfft die Rasanz, mit der sich die 1917 gegründete Gruppe in die Abstraktion katapultiert. Man kann das an wenigen, klug gewählten Arbeiten verfolgen. Auch hier ist Mondrian ein Solitär auf der Suche. Was ihm über den Weg läuft, saugt er auf, transformiert es – im pointillistisch zergliederten „Meer vor dem Sonnenuntergang” (1909) oder der von einer Mischung aus Expressionismus und Symbolismus angehauchten „Großen Landschaft” – aber in seiner ganz eigenen Spielart. Die graubraunbeige Tristesse in Picassos und Braques kubistischer Malerei etwa überführt er in heitere Farbigkeit. Überhaupt Farbe. Sie sollte ihn zusammen mit der Linie auf den Grund der Dinge, zur Wahrheit führen. Und da kam dem Maler mit seinem verschwurbelten Hang zur Theosophie jedes Experiment recht.

Naturdarstellungen und besonders Bäume lösen sich mehr und mehr auf in schwarz umrandete Flächen, man mag an Kirchenfenster mit ihren Bleiruten denken. Und schon in den ersten „Kompositionen” lauern die kühnen Reduktionen der 1920er Jahre, die auf die Abstrakten der 50er abstrahlen und noch die Op-Art-isten der Sixties inspirieren. Selbst ein biederes Auto setzten sie frech in Szene. Oder die adrett-puristischen Kleider von Yves Saint Laurent. Und natürlich Haarspray-Dosen.

Bis 15. August im Kunstbau des Lenbachhauses, Katalog: 32 Euro (Hatje Cantz)

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