Rebellion in Zeiten des Krieges
Salzburg I: Kleists „Prinz Friedrich von Homburg” im Landestheater inszeniert von Andrea Breth
Mit einem Paukenschlag, einem ganz leisen, endet Andrea Breths Inszenierung. Man braucht einige Sekunden, um im Landestheater zu begreifen, dass der Titelheld tot ist. „Die Freude tötet ihn!”, ruft seine Braut Natalie, als Homburg – unversehens vor seiner erwarteten Hinrichtung gerettet und als Sieger der Schlacht von Fehrbellin gefeiert – in Ohnmacht fällt.
Die Regisseurin nimmt den Satz wörtlich. Noch einmal erwacht Homburg: „Ist es ein Traum?” Dann fällt er zurück – in ewige Traumlosigkeit. Ein starker, verstörender Schluss für die erste Schauspielpremiere der Salzburger Festspiele, die sich erst in der zweiten Hälfte zu einer starken Aufführung entwickelt. Nach zweieinhalb pausenlosen Stunden großer Jubel für den Extreme wagenden August Diehl in der Titelrolle. Doch der eigentliche Star ist Peter Simonischek als Kurfürst.
Denn hier hat Heinrich von Kleist 1810 in seinem Drama „Prinz Friedrich von Homburg” das Kraftfeld gesetzt: In der Auseinandersetzung zwischen dem Militär-Machthaber und dem siegwütigen Jung-Haudrauf, der Befehle missachtet, mit seinen Soldaten auf den Gegner losprescht und die Schlacht gegen die Schweden gewinnt. Das soll ihn nach Kriegsrecht jetzt den Hitzkopf kosten. So lieb er als naher Verwandter dem Fürsten ist: Seine Eigenmächtigkeit darf keine Bresche in die Disziplin des Heeres schlagen.
Was Krieg bedeutet, macht Martin Zehetgrubers Bühne klar. Der Schlossgarten nahe dem Schlachtfeld ist nur noch verbrannte Erde: Verkohlte, von Kanonen gefällte Baumstümpfe. Da träumt Homburg von Ruhm und Liebe und wird als Schlafwandler von einer gespenstischen Zeitlupen-Prozession der Hofgesellschaft vorgeführt. Die zieht sich in kühle Innenräume mit Milchglas-Schiebewänden zurück.
Dieser Homburg muss einen Herzfehler haben – oder sonst eine Krankheit, die ihn zwischen Extremen hin- und herschleudert. August Diehl schwankt zwischen fanatischer Schwärmerei und stürmerisch-drängendem Überdruck. Als seine geliebte Natalie verzweifelt nach einem Beschützer fragt, reißt er sie so ungestüm an sich, als wolle er sie ersticken – eine gewaltsame Besitzergreifung.
Homburgs rasende Gefühlsumschwünge kontrastiert Andrea Breth mit einer mehr als steifen Umwelt. Die Offiziere bleiben in knarzendem Burgtheaterton hohl tönende Chargen, auch Roland Koch als Homburgs Freund Hohenzollern. Nur der fabelhafte Hans-Michael Rehberg als Kottwitz, der sich gegen alle Militärregeln für Homburg einsetzt, treibt diese ausgestellte Sprache so ins Extrem, dass sie mit seiner knorrig-hölzernen Figur zusammenpasst. Meist blass und gefasst die mitfühlenden Frauen in schwarzem Samt. Moidele Bickels Kostüme verordnen Trauer, auch den Männern in dunklen Militärmänteln. Kurfürstin Andrea Clausen fällt mal in Ohnmacht, Pauline Knofs Natalie wird gelegentlich von tränenreichem Pathos übermannt, nur Anstandsdame Elisabeth Orth zeigt winzige ironische Reaktionen.
Doch das in den Vordergrund rückende Psycho-Duell bestimmt Peter Simonischek: Ein souveräner Kurfürst, der den aufsässigen jugendlichen Herausforderer mit einem raffinierten Moraltrick in seine Schranken weist. In diesem Machtspiel bleibt Simonischek stets der Überlegene, trotz aller scheinbaren Empathie für den gern Sohn genannten Homburg und dessen auf Milde plädierende Offiziere. Denn es geht auch um einen Vater-Sohn-Konflikt und vielleicht sogar erotische Rivalität: Die Nichte Natalie, die er als Tochter bezeichnet, küsst der Fürst nach ihrer Begnadigungs-Bitte auf den Mund wie ein Liebender. Dass sein Spiel in der Wiederaufnahme der Anfangspantomime tödlich endet, lässt es im Nachhinein umso grausamer erscheinen.
Landestheater, 30., 31. Juli, 1., 3., 4., 5., 7., 8., 9., 11., 12. August, 19 Uhr, Tel. 0043 662 8045 500, www.salzburgfestival.at
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