Realer Operntod

Für jede Aufführung von Dvoráks Oper „Rusalka“ muss in der Bayerischen Staatsoper ein Reh dran glauben – und es darf wegen hygienischer Bestimmungen nicht einmal gegessen werden
von  Abendzeitung

Für jede Aufführung von Dvoráks Oper „Rusalka“ muss in der Bayerischen Staatsoper ein Reh dran glauben – und es darf wegen hygienischer Bestimmungen nicht einmal gegessen werden

Auf der Jagd nach einem weißen Reh verirrt sich der Prinz an einen See. Er verliebt sich in die Nymphe Rusalka und nimmt sie als Braut auf sein Schloss. Antonin Dvoráks Oper „Rusalka“ erzählt, wie ihre Liebe an den Hässlichkeiten der Menschenwelt zerbricht.

Am Samstag hat die Inszenierung von Martin Kušej im Nationaltheater Premiere. Wer die bieselnden Hexen in seiner Version von Verdis „Macbeth“ gesehen hat, weiß: Der Kärntner ist ein Mann starker, auch schockierender Bilder. Und auf die will er auch in dieser Inszenierung nicht verzichten: Am Beginn des zweiten Akts, in der Szene zwischen dem Küchenjungen und dem Heger, spielt ein totes Reh mit, das dem Vernehmen nach auf der Bühne enthäutet wird. Später geht dann Rusalka an dem Balg vorbei, langsam ahnend, worauf sie sich eingelassen hat.

Für jede der 12 Vorstellungen dieser Spielzeit muss daher zur Illustration der Hässlichkeit der Welt ein Reh dran glauben. Wegen der Schlussproben werden es wohl noch ein paar mehr sein. In einem der AZ vorliegenden Flugblatt behauptet ein Tierfreund, dass das Reh „aus hygienischen Gründen ca. drei bis vier Stunden vor Vorstellungsbeginn getötet werden muss.“

Leider kein Rehbraten

Da kann einem der Appetit auf Kunst durchaus vergehen. Gekauft wird das Reh nach Auskunft der Staatsoper bei einem Wildmetzger. Staatsopern-Sprecher Christoph Koch versichert allerdings, dass der Lieferant Mitglied im Tierschutzverein sei.

Wenn’s nun regelmäßig Rehbraten in der Opern-Kantine gäbe, könnte man über die Sache vielleicht reden. Aber das ist aus hygienischen Gründen nicht zulässig. „Das Veterinäramt lässt es nicht zu“, sagt Koch, der das Tier auch lieber verspeisen würde. Der Metzger nimmt das tote Reh wieder mit. Und wirft es, so ist zu fürchten, hinterher weg. Da entsteht doch ein flaues Gefühl im Magen, ob das ein angemessener Umgang mit unseren Mitgeschöpfen ist.

Warum tut es nicht auch ein künstliches Reh? Der Regisseur wolle einen bestimmten Effekt, der nur mit dem toten Tier zu erzielen sei, erklärt Koch. Übrigens planscht Rusalka während der Aufführung in einem Goldfisch-Aquarium, das später umfällt. Auch wenn das täuschend echt aussieht: Die Fische sind künstlich.

Robert Braunmüller

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