Ravepaket mit Gassenhauern

The Prodigy, die Breakbeat-Helden der 90er, bringen im Zenith die Fans zum Zappeln
von  Abendzeitung

The Prodigy, die Breakbeat-Helden der 90er, bringen im Zenith die Fans zum Zappeln

Alle sitzen gebückt in ihren Startblöcken, hochkonzentriert, der Blick geht nach vorne. Die Muskeln sind bis an die Schmerzgrenze angespannt, Schweiß tropft. Dann das alles erlösende Signal: „Smack My Bitch Up!“, brüllt Keith Flint in sein Mikro. Schneller als Usain Bolt springen die Prodigy-Fans aus ihrer unbequemen Wartehaltung auf und vollführen enthemmt den letzten Derwisch-Tanz vor der Zugabe.

Die britischen Breakbeat-Helden der 90er Jahre haben es auch im gut gefüllten Zenith wieder einmal geschafft, einen 80-minütigen Partyteppich auszurollen, der selbst hartnäckige Bewegungsmuffel in zuckende Zappelphilippe verwandelt. Anstatt mit musikalischen Innovationen zu glänzen, besinnen sich die in die Jahre gekommenen Acid-House-Pioniere auf ihre Stärken; Liam Howletts grandios-verzerrte Beats mit der Härte von Bombeneinschlägen, Rastalockenkopf Maxim und der ewige Punk Keith Flint als gekonnt herumschreiende Animateure. Dazu eine Netzhaut zerfetzende Lichtershow, die vom giftgrün pulsierenden „Saw“-Horrorambiente bis hin zu irrlichternden Flakscheinwerfern reicht.

Das eskapistische Ravepaket wird sorgsam abgemischt mit frenetisch bejubelten Gassenhauern wie „Breathe“ oder „Out Of Space“ und neuem Songmaterial („Omen“), das auf Grund ähnlich eingängiger Struktur den Fetenexpress nicht ins Stocken bringt. Auch wenn Flint nicht mehr die anarchische Wahnsinnsenergie seiner früheren „Firestarter“-Exzesse abrufen kann, und einige Klassiker („No Good“) stillschweigend aus dem Programm genommen wurden – The Prodigy gelingt etwas, woran andere Elektrohelden wie Underworld bis heute verzweifeln: eine langsam bröckelnde Stammhörerschaft mit jungen nachrückenden Elektropunk-Jüngern aufzufüllen.

Florian Koch

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