Raus aus dem Paradies!
Der Umgang mit den Alten und andere Spätschäden der Familiengeschichte: Philip Seymour Hoffmann und Laura Linney in der US- Tragikomödie „Die Geschwister Savage“.
Ghetto ist ein hässliches Wort. Was aber, wenn dort der Hispano-Gärtner freundlich grinst, der schwarze Pfleger gegen Bares äußerst geduldig ist und die Kosmetikerin ein Maximum an Frische in die Gesichter zaubert – und obendrein immer die Sonne scheint?
Der Film „Die Geschwister Savage“ beginnt mit Bildern, wie sich Amerika selbst gerne sieht: Sun City, Arizona – eine sterile Alters-Siedlung für Reiche. Alles hier ist künstlich, auch die verordnete Aktivitäts-Lebensfreude. Und weil seine geldige Lebensgefährtin gerade am Schminktisch einen endgültigen Herzstillstand erlitten hat, muss der alte Durchschnitts-Rentner Lenny (Philip Bosco) das Alten-Eldorado verlassen. Jetzt holen seine erwachsenen Kinder (Laura Linney und Philip Seymour Hoffman) ihren Vater ab, der ihnen die Kindheit schwer machte, von dem sie sich seit Jahren entfremdet haben und der überhaupt ein Kotzbrocken ist, mittlerweile ein zunehmend dementes, inkontinentes Wrack.
Regisseurin Tamara Jenkins hat eine harte Tragikomödie gedreht. Die geht ohne jede Sentimentalität zu Herzen, weil sie nichts beschönigt und so tief von wahrer Familien-Psychologie durchdrungen ist, dass man sich am Ende als Zuschauer auch selbst reifer fühlt im Umgang mit Eltern und Alter. Wie Wendy und John, die beide, 40 plus, ihr Leben noch nicht richtig organisiert haben, an Spätschäden der Familiengeschichte laborieren und nun ein würdiges Dasein für ihren Vater sichern wollen, zwischen Überforderung und verzeihender Liebe.
Philip Seymour Hoffman spielt einen frustrierten Uni-Dozenten, der sich in Büchern vergräbt, mit seinen Spezialthemen nach Anerkennung ringt, sich in Zynismus flüchtet. Laura Linney ist seine weiche Schwester, die mit Hunden besser auskommt als mit Menschen. Dass der Film dabei ein versöhnliches Ende findet, ohne dabei an Ernsthaftigkeit einzubüßen, ist ein Qualitätszeichen, wie man es selten bei Hollywoodfilmen findet. Adrian Prechtel
Kino: Münchner Freiheit, Tivoli, Atlantis in OmU, im Cinema in OF
R & B: Tamara Jenkins K: Mott Hupfel (USA, 114 Min.)