Radikale Leidenschaft
Die Faszination des Extrembergsteigens ist schwer zu erklären. Gerlinde Kaltenbrunner versucht es mit einer Autobiografie
Es ist schwierig, ihren Namen zu nennen, ohne den bestehenden Wettstreit mitzudenken: Gerlinde Kaltenbrunner. Sie hat wie drei weitere Bergsteigerinnen die Chance, als erste Frau alle vierzehn Achttausender zu bezwingen. Während sie in München ihre Autobiografie „Ganz bei mir“ vorstellte, scheiterte die Südkoreanerin Oh Eun Sun gerade an ihrem letzten Achttausender, dem Annapurna, am Schnee. Noch ist nichts entschieden, Kaltenbrunner plant für 2010 den Mount Everest und den K2.
Mit einem Diavortrag demonstriert die Österreicherin ihre Leidenschaft für das Extrembergsteigen. „Es geht mir nicht um den Wettkampf“, wird sie nicht müde zu betonen, „sondern um das Gefühl, dass man da oben erleben kann.“ Die drahtige 38-Jährige vermittelt das durchaus glaubhaft. Sie nimmt ihr Publikum mit auf eine Reise und beschreibt die Besteigung des Dhaulagiri in Nepal, 2008, an dem sie ein Jahr zuvor beinahe ihr Leben verloren hätte.
Ringen mit der eigenen Persönlichkeit
Extrembergsteigen bedeutet vor allem Radikalität gegen sich selbst, darüber hinaus das Begreifen kleiner Glücksmomente wie die ersten Sonnenstrahlen auf 7000 Metern Höhe. Kaltenbrunners Augen leuchten, wenn sie die Schönheit dieser Minuten schildert. Ja, man glaubt, dass sie selbst sich nicht mit Konkurrenzgedanken quält. Sie wirkt zielstrebig, aber im Vordergrund stehen Sportlichkeit und ihre Leidenschaft für das Leiden in höchsten Höhen.
So souverän sie in ihrem Buch über Schmerzen und Glück beim Bergsteigen spricht, so deutlich macht sie auch, dass es ihr nicht darum geht, die erste Frau auf allen Achttausendern zu sein. Sie malt sich lediglich die Erfüllung ihres Lebenstraums aus, alle bestiegen zu haben. Wann, sei letztlich egal.
Zu dem einen oder anderen Berg wird sie ohnehin zurückkehren. Weil es manchmal eben um mehr geht als Sieg und Niederlage. Vielleicht ist das Alphatier-Gehabe am Berg tatsächlich den Männern vorbehalten .
ts
„Ganz bei mir“, Malik Verlag, 319 Seiten, 22.95 Euro