Rache am Klischee

Die Schwestern Tanja und Susanne Raith lieben Violksmusik. Sie spielen ihr Jodical „Die Alpenköniginnen“ im Deutschen Theater
von  Abendzeitung

Die Schwestern Tanja und Susanne Raith lieben Violksmusik. Sie spielen ihr Jodical „Die Alpenköniginnen“ im Deutschen Theater

Regensburg, B16, Richtung Bayerischer Wald. Nah an der tschechischen Grenz’.“ Da liegt Roding. Ein Nest. Sagt die Tanja Raith. Trotzdem ist sie nach ihrer Zeit in Regensburg wieder dorthin zurückgezogen. „Weil i a Landei bin.“ Mit ihrer Schwester Susanne sitzt sie im Hofbräukeller am Stiglmaierplatz. Eben haben beide vor der Kamera von münchen.tv gesungen. Die Bedienung ist kurz erstarrt. Denn die Raith-Schwestern sind mächtig. Und Rampensäue.

„Die Alpenköniginnen“ heißt ihr Stück, das jetzt vier Mal im Deutschen Theater zu sehen ist. Ein Jodical ist es geworden. Eine Geschichte um zwei nymphomanische Sennerinnen, deren Gejodel die Burschen in ihr Unglück führt. Bis der Berggeist Edammerich eine Käseglocke über die Alm der Sennerinnen stülpt, um endlich Ruhe zu haben.

Schade, dass man sich für's Jodeln so blöd anziehen muss

Wie entsteht so ein Projekt?„I bin mit’m Menzel Josef beim Saufen gwesen,“ erzählt die Tanja. Der Menzel Josef hat eine Kapelle und ist ein guter Freund. Tanja und Sepp eint die Leidenschaft für Heimatfilme. Sogar Tanjas Sohn liebt das Jodeln, findet nur, dass alle so blöd angezogen sind. Die Idee zur Verwurstung all dieser schönen Schauerlichkeiten hing drei Jahre ab und wuchs dabei langsam. Norbert Bürger vom Orchester Bürger Kreitmeier, ist für die Bühnenmusik zuständig. Er wollte die Schwestern regiemäßig disziplinieren. Nur – diese beiden setzen sich durch. Sie bringen sich selber auf die Bühne. Florian Simbeck vom Duo Erkan & Stefan spielt den schönen Hansi.

In Oberbayern kann man mit so einem Stück noch provozieren, da überschreitet die Heimatfilm-Travestie spätestens mit dem Auftritt des Pfarrers in Unterhosen Grenzen. Über die Doppelmoral mancher Bayern können sich die Raith-Schwestern schon aufregen: „Die Moral ist immer vorn dran, aber eigentlich ist er lustig und eine alte Sau.“

Der blöde Seppl ist selber schuld

Die Trachtler, bei denen jeder Knopf stimmen muss, sind ihnen unheimlich. Den Raith-Schwestern wurde vorgeworfen, die Volksmusik kaputtzumachen. Im Gegenteil, finden sie, sie tragen sie nach vorne. Sie halten sich nicht für ordinär oder derb, sie sehen in ihren Lederhosen nur so krachledern aus. Das Klischee schlägt da die Wirklichkeit. „Und jetzt machen wir die ,Alpenköniginnen’ mal unter der Gürtellinie“, erzählt Tanja – als Rache am Klischee.

Das Image des blöden Alpen-Seppls hat Ursachen. Susanne nennt als Beispiel die Volkskultur, wie sie ausländischen Besuchern im Hofbräuhaus vorgespielt wird: „Wenn ich den Leuten das so verkaufe, brauche ich mich nicht wundern, wenn es auf der ganzen Welt so gesehen wird.“

Im Dirndl sind sie eigentlich nicht zu Hause. Auftritte werden in Lederhosn absolviert. Zu Bier-Orten haben die Raith-Schwestern eine innige Beziehung: „Eine bessere Schule gibt es nicht“, findet Tanja. Wer im Wirtshaus spielt, kann überall spielen. Ein Journalist möchte ein Foto – aber bitte ohne Biergläser. Geht nicht. „Wir stehen für Alkohol“, lachen sie, dass die Luft scheppert.

Christian Jooß

Deutsches Theater, 2., 9., 23. Nov., 7. Dez., 20 Uhr, www.deutsches-theater.de

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.