Punks in der Disco
Der Anruf kommt aus L.A. Hier lebt der Bassist von Duran Duran: John Taylor. Am 24.1. macht die Band auf ihrer Welttournee Station in der Tonhalle. Die Gelegenheit, sich noch einmal mit der musikalischen Leistung der einstigen Teenie-Idole zu beschäftigen.
AZ: Mr. Taylor, Sie sind in den 80ern mehrmals von Teenie-Magazinen zum „Sexiest Male Popstar Alive” gewählt worden. Wie war das Gefühl?
JOHN TAYLOR: Oh Gott! Keine Ahnung. Ich nahm das ernst und andererseits auch nicht.
Reden wir über das aktuelle Album „All You Need Is Now”. Ist es möglich, heute noch den Moment zu feiern?
Ich weiß nicht, in welchem Maße die Musik selber den Moment feiert. Aber als Simon den Text schrieb, sprang ich sofort darauf an. Ich liebe Eckhart Tolles Buch „The Power Of Now” und denke viel über diese Idee der Gegenwart nach. Vielleicht, weil ich viel Zeit in meinem Leben gefangen in der Vergangenheit verbracht habe. Es hat lange gedauert, diese verrückten 80er abzuschütteln. Ich glaube, dieser Albumtitel hat einen positiven Effekt auf das Universum.
Viele Bands streben heute nach einem Retro-Sound.
Es ist fast eine Neurose – dieser Drang, vorwärts zu gehen. An diesem Album haben wir aber mit Marc Ronson (als Produzent) gearbeitet. Marc wollte, dass wir uns an die Art erinnerten, in der wir 1982 spielten. Das vorhergehende Album „Red Carpet Massacre”, das wir mit Timbaland gemacht haben, hatte einen sehr modernen Sound. Da fanden die Fans, das klinge gar nicht nach Duran Duran. Wenn man so weit gegangen ist, macht es Spaß, ein Album aufzunehmen, das klingt, als wäre HipHop nie erfunden worden.
1978 lösten sich die Sex Pistols auf. Hatten Duran Duran eine klare Vorstellung davon, wie Post-Punk sein sollte?
Nicks und meine ersten Visionen waren viel obskurer. Wir hatten die Human League gesehen. Dann stieß Roger dazu. In dieser Zeit kam ich auf Disco-Music. Das kam aus heiteren Himmel. Wir waren Punks. Punks hassten Disco. Aber in Chics Platte hörte ich Musik. Das klang nicht produzentengetrieben, sondern wie hungrige Kerle. Ich hörte sehr wenige Unterschiede zwischen einer Chic-Platte wie „Everybody Dance” und einer Sex-Pistols-Platte. Das hatte für mich dieselbe Art Energie.
Und der Look war wichtig.
Wir wollten nie eine Band sein, die Denim trägt, nachdem wir von Bowie und später den Sex Pistols verführt worden waren. Punk gab vor, sehr Anti-Fashion zu sein. Aber: Was für eine Mode, was für machtvolle Styles. Wir wollten einen Look – anders als andere Bands aussehen. Alles muss einzigartig sein. Natürlich war es das nicht – sondern ein bisschen davon und ein bisschen hiervon. Aber es war ein umfassendes Konzept.
War es auch subversiv, sich so aufzustylen?
Das hat mich nie interessiert. Ich habe nie bewusst versucht, zu rebellieren.
Wart ihr einverstanden damit, unter dem Label „New Romantics” zu laufen?
Wir haben es selber gewählt. Ursprünglich war das Spandau Ballet zugeschrieben. Wir wussten nicht, wie die klangen, aber wir lasen über das, was sie in London machten. Es schien, als ob diese Typen das machten, was wir machten. Das hört sich etwas opportunistisch an, aber es ist doch ähnlich wie bei den Clash, die die Sex Pistols sahen und auf diesen Zug wollten.
Sie haben Stephen Duffy in Birmingham getroffen, während Sie Kunst studierten. Hatten Duran Duran ein Kunst-Konzept?
Nick ist Ästhet, ich bin ein Kunststudent. Ich mag manchmal auch Blue-Collar-Music, Bruce Springsteen. Aber ich bevorzuge Musik, die etwas künstlerischer ist. Für mich sind das beispielsweise die Sex Pistols. Bowie präsentierte sich auf eine künstlerische Weise. Die Stones, sobald sie etwas klüger wurden, setzten sich künstlerisch in Szene. Sehen sie sich das Albumcover von „Sticky Fingers” an.
Sind Art-School-Bands ein sehr britisches Phänomen?
Sind sie. Aber ich denke, dass auch die progressive deutsche Musik der 70er der modernen Kunst sehr verbunden war. Bei Can fühlt man, dass von Musikern und bildenden Künstlern dieselben Fragen gestellt werden.
Spandau Ballet hatten ein Interesse an deutschen Musikern wie Kraftwerk. Gab es das bei Duran Duran auch?
Eine Verbindung zu München war für uns Giorgio Moroder. Moroder produzierte Dance-Platten und begegnete Kraftwerk. Das veränderte alles für ihn. Wir beginnen doch erst, den deutschen Einfluss auf zeitgenössische Musik zu verstehen. Es hat doch kaum einer erkannt, dass wir jede scheiß Technoplatte, die wir heute hören, nur wegen Harmonia, Cluster oder Kraftwerk hören. Die bauten ihre eigenen Keyboards und Synthesizer.
Tonhalle, 24. Januar, Karten Tel.54818181
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