Publikum macht süchtig

Die beiden Münchner Autoren Jan Weiler und Joseph von Westphalen bestreiten am Freitag den Humorgipfel beim zweiten „HeimAZabend“ im Vereinsheim
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Die beiden Münchner Autoren Jan Weiler und Joseph von Westphalen bestreiten am Freitag den Humorgipfel beim zweiten „HeimAZabend“ im Vereinsheim

Der Legende nach sind Humorarbeiter im wahren Leben bierernste Menschen. Bei Jan Weiler und Joseph von Westphalen kommen da berechtigte Zweifel auf. Die beiden Autoren und Kolumnisten stellen am Freitag in der AZ-Reihe „HeimAZabend“ ihre aktuellen Bücher vor und erforschen im Gespräch mit Chefredakteur Arno Makowsky die Untiefen des Humors.

AZ: Herr von Westphalen, in Ihrem letzten Buch haben Sie sich einen „Lohnschreiber“ genannt. Steht Geld beim Schreiben im Vordergrund?

JOSEPH VON WESTPHALEN: Ab heute verkünde ich: Im Vordergrund steht die Botschaft. Ich habe immer schon mit den Begriffen kokettiert und mich auch schon als Schreibwarenhändler bezeichnet.

JAN WEILER: Der Lohn eines Autors wird außerdem überschätzt. Leser, vor allem aber Journalisten, halten mich für phänomenal reich, midasartig. Blödsinn! Der glamouröseste Satz, den ich mal gehört habe, der fiel auf der Vernissage von Andreas Gursky im Haus der Kunst. Da fragte Gursky Michael Schumacher: „Sag mal, wo schläfst du heute Abend eigentlich?“ Schumacher antwortete: „Ich weiß nicht, ich glaube, ich flieg’ noch nach Hause.“ Der hat sich dann mit einem Fahrer im Ferrari zu seinem Privatjet bringen lassen und ist nach Zürich geflogen. Der war schneller zuhause als ich.

Ist es als Lohnschreiber schwer, auf Knopfdruck humorvoll zu sein?

JOSEPH VON WESTPHALEN: Nein, ich könnte auch nach einem furchtbaren Ehekrach etwas Lustiges über Beziehungen schreiben. Nicht, dass mir so etwas schon passiert wäre! Aber die Kolumnen-Tonlage ist ja immer etwas souveräner als man eigentlich ist.

JAN WEILER: Richtig. Ich habe auch keine Schwierigkeiten, diese Tonlage zu treffen. Ich habe die auch nur einmal verlassen. Da ging es in einem Text um die „Scheißstimmung“ in der Allianz-Arena, und ich habe eine Lanze dafür gebrochen, dass es beim Fußball total ruhig sein sollte.

Wie süchtig sind Sie nach dem Lachen des Publikums?

JAN WEILER: Total. Ich bin extrem gefallsüchtig was Lesungen betrifft. Ich mag es wahnsinnig, wenn das Publikum lacht und applaudiert.

JOSEPH VON WESTPHALEN: Das kenne ich. Aber es gibt lange Entwöhnungsphasen, wenn ich keinen neuen Roman habe und nicht viel lese. Wobei ich ja auch sehr schlecht lese, alles zerhacke und es kommt trotzdem gut an. Ich zerlese die Pointen regelrecht, aber das ist auch Kult. Der Gert Heidenreich hat mal meinen Text deklamiert: So muss man das lesen – mit Pausen! Aber gut, der ist Lacher auch nicht so gewohnt.

JAN WEILER: Ich bin mal einer Einladung von Emil Steinberger ins Kleine Theater in Luzern gefolgt. Ich las, es gab keine Reaktion. Wenn ich den Blick hob, dachte ich, oh Gott, die toten Augen von London. Hatte ich das Publikum beleidigt? In der Pause wollte ich fast einen Blinddarmdurchbruch simulieren und abhauen. Dann wurde es etwas besser. Nachher saß ich deprimiert in der Garderobe, als Emil reinkam und sagte: „Das war so toll. So sind die noch nie aus sich rausgegangen.“

Haben Sie schon mal einen Text bereut?

JOSEPH VON WESTPHALEN: Ja, in jüngster Zeit einen über Guido Westerwelle, kurz bevor er Außenminister wurde. Ich habe dann gegen Genschers angeblich zu große Schuhe gewettert, und die Debatte über Westerwelles Englischkenntnisse fand ich auch übertrieben. Das hat viele meiner Bekannten verwundert.

JAN WEILER: Also nicht bereut habe ich alles. Aber ich habe mal einen Magazin-Artikel über Patrick Süskind mitverantwortet, der wirklich journalistisch bodenlos war und ihn zu Recht verärgerte. Ich habe ihm dann zwei gute Flaschen Rotwein zugeschickt als Entschuldigung, und er hat sich mit einem Brief revanchiert, dessen letzter Satz eine Demütigung beinhaltet, die ich nie verwunden habe. Er schrieb: „Vielen Dank für den Wein. Ich werde ihn trinken, sobald ich vergessen habe, welch trüber Quelle ich ihn verdanke.“

Volker Isfort

Vereinsheim, Freitag, 5. 2., 20 Uhr, Occamstraße 8, Karten: Tel. 344974

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