Protest mit Pflaster: Auweh, Weiwei

Chinas Superstar ist wieder munter und zelebriert seine Narben im Haus der Kunst
von  Abendzeitung

Chinas Superstar ist wieder munter und zelebriert seine Narben im Haus der Kunst

So ernst der Hintergrund auch ist, so groß der Respekt vor dem Mut des Künstlers sein sollte: Die Art der öffentlichen Inszenierung des Dramas um Ai Weiwei hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck – bevor seine Kunst überhaupt zu sehen ist. Bei der Vorstellung eines Teils der kommenden Einzelausstellung mit Chinas Superstar im Haus der Kunst – nämlich der riesigen Fassadenskulptur „So sorry/Remembering“ mit 9000 Kinderrucksäcken, die an Erdbebenopfer in China erinnern – war alles recht, was dem Spektakel diente.

Zur Erinnerung: Weiwei war am 12. August in China von Polizisten geschlagen und kurzzeitig verhaftet worden. Nachdem sich seine Kopfschmerzen verschlimmerten, wurde er vergangene Woche in München wegen einer Gehirnblutung operiert.

Als geheilt entlassen

Zur Präsentation im Haus der Kunst wurde er termingerecht entlassen, erschien aber nicht nur mit dekorativem Kopfpflaster und seiner Entourage aus uniform schwarz gekleideten Helfern, sondern auch dem Sprecher des Klinikums Großhadern, der ein Bulletin zu seiner stationären Behandlung verlas. Es gehe ihm gut, fasste Weiwei zusammen, der Sprecher fügte launig an, die Ärzte hätten vor allem damit zu tun gehabt, „Herrn Weiwei ruhig zu stellen“, denn noch nie sei ein Patient so aktiv gewesen.

Dann prangerte der Künstler das Versagen der Politik in Bezug auf das Erdbeben in China in 2008 an und erklärte, dass er mit der Kunst sein Verständnis von Gesellschaft reflektiere. Im Hintergrund war dabei ein Selbstauslöser-Foto von Weiwei mit Blutbeutel im Krankenhaus zu sehen. Als Fragen nach dem China-Skandal der Frankfurter Buchmesse (Regimekritiker wurde auf Chinas Druck hin ausgeladen) und seinem dort im Oktober geplanten Auftritt kamen, vermied Weiwei jede Provokation und sprach von einer „nice book fair“ und dass er ohne bestimmte Absicht anreisen werde.

Kurator und Haus-Direktor Chris Dercon erklärte, Weiwei sei „nicht nur Künstler, sondern Sprachrohr für seine Landsleute“. Es gehe bei „So sorry“ vor allem um die „Entschuldigungskultur“, die einer Kultur der Verantwortung im Wege stehe. Eins ist klar: Weiwei ist unerschrocken – in jeder Beziehung.

Michael Grill

Haus der Kunst, ab 12. Oktober

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