Protest im Porzellanladen

Als München noch Avantgarde war: „Made in Munich“, Editionen und Multiples im Haus der Kunst.
von  Abendzeitung

Als München noch Avantgarde war: „Made in Munich“, Editionen und Multiples im Haus der Kunst.

"Ich interessiere mich für die Verbreitung materieller Vehikel in Form von Editionen, weil ich mich für die Verbreitung von Ideen interessiere“, erklärte Joseph Beuys. Gerade für politisch engagierte Künstler boten gedruckte Editionen die wunderbare Möglichkeit, ein breites Publikum zu erreichen. Die Galeristen wiederum fanden neue Käufer, die für verhältnismäßig wenig Geld Kunst kaufen konnten.

Das Haus der Kunst hat jetzt die Mammutaufgabe gestemmt, die Geschichte der kaum fassbaren Masse an Editionen auf Papier, dreidimensionalen Multiples und ausgefallenen Tondokumenten „Made in Munich“ zu erforschen, die seit Ende der 60er Jahre von Münchner Galeristen mit allen wichtigen Künstlern der Zeit umgesetzt wurde. Einige Produktionsstätten sind bis heute aktiv – wenn auch Siebdruck und Künstler-Plakat durch die Massenwirksamkeit kommerzieller Postergalerien an Kraft verloren haben.

Gegensätze reiben sich an

Die erschöpfend vielfältige Ausstellung erinnert an eine Kunstmesse: Man spürt die Reibung beim Zusammentreffen größtmöglicher Gegensätze. Da findet sich Roy Lichtensteins Teegeschirr neben einem Fontana-Relief (beides für Rosenthal); den geistig wie materiell höchst akkurat gesetzten Raum von Gerhard Merz unweit der Dokumentation einiger Otto-Mühl-Aktionen, Florian Süssmayrs 80er-Jahre-Flugblatt-Lyrik neben Robert Longos 1983 entstandenden Tänzer-Lithographien.

Es ist kein Zufall, dass der Erfolg der Editionen gerade in den bewegten Zeiten um ’68 begann. Ein Ausgangspunkt der Schau ist Richard Hamiltons Siebdruck „Kent State“ von 1970 für die Galerie Dorothea Leonhart: Grundlage ist das Fernsehbild eines bei einer Demonstration in Chicago erschossenen Studenten.

Die Rolle der Galeristen

Ebenso eng ist die Verbindung zur ersten internationalen Kunstmesse in Köln 1967. Viele der Galeristen damals kamen aus München, darunter Raimund Thomas, in „Made in Munich“ mit einem Vasarely-Poster vertreten. Epizentrum des kreativen Bebens aber war die Galerie Heiner Friedrich, die mit Dan Flavin, Donald Judd und Walter de Maria nicht nur Minimal und Concept Art an die Isar brachte, sondern auch mit Blinky Palermo und Gerhard Richter frühe Meilensteine setzte. Dessen einstiger Mitarbeiter Fred Jahn setzte einiges davon fort, Bernd Klüser holte Andy Warhol (Siebdruck-Poträts von Lenin und Beuys).

Bis heute wichtig ist Sabine Knust mit ihren Editionen von Richard Prince, Georg Baselitz und Günther Förg; ebenso bedeutend, vor allem im Bereich des Multiple, ist Jörg Schellmann, der in den letzten Jahren von Olafur Eliasson über Anish Kapoor zu Liam Gillick und Santiago Sierra alle gerühmten und umstrittenen Installationskünstler der Gegenwart um eine Arbeitsprobe in kleiner Auflage gebeten hat.

Ton-Editionen wie der so skurril wie einzigartig erscheinende Mitschnitt in Laut und Bild eines Konzerts von Allen Ginsberg, der 1980 auf Deutschlandtour im Loft auftrat. Bands wie FSK oder Chicks on Speed setzen die Tradition des hörbaren Münchner Eigensinns bis heute fort.

Roberta De Righi

Bis 22. Februar, täglich 10 bis 20, Do bis 22 Uhr

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