Privates Kulturzentrum in München: Alte Schönheit neu belebt

München - In London hat die Tate Modern vor Jahren schon ein ehemaliges Kraftwerk bezogen. Im Ruhrgebiet werden alte Zechen kulturell genutzt. In München ist leerstehender Industriebau sehr selten - einer davon aber ist das alte Heizkraftwerk der Bahn an der Rupert-Bodner-Straße in Aubing. Der Bau steht unter Denkmalschutz. In den neunziger Jahren fanden hier Techno-Partys statt, doch zu einem zweiten Berghain wie in Berlin wurde das Heizkraftwerk nicht.
Aubinger Kraftwerk: "Es ist ein Gefühl wie in einer Kathedrale"
Den Brüdern Michael und Christian Amberger gehört schon seit 2005 diese schöne Industrieruine der frühen 40er Jahre, die bereits in den 1920er Jahren geplant war. Der Name des ursprünglichen Architekten und seine Pläne sind im Zweiten Weltkrieg verloren gegangen. Eigentlich wollten die Brüder Amberger das Gelände zur Zentrale ihres Unternehmens Allguth umbauen. Doch der Bürgermeister von Gräfelfing bot den Betreibern von Tankstellen, Waschstraßen und Getränkemärkten ein anderes Grundstück an. Und die Frage blieb: Was machen die beiden jetzt mit dem Aubinger Kraftwerk?
"Ich war dem Charme dieses Gebäudes sofort erlegen. Es ist ein Gefühl wie in einer Kathedrale, man spürt unglaublich viel Kraft und Flair", erzählt Michael Amberger, und auch Christian Amberger kann sich dem imposanten Bau nicht entziehen: "Wären wir in London oder Berlin, wäre er vielleicht nichts Besonderes, aber so etwas gibt es in ganz Süddeutschland kein zweites Mal. Das erhabene Innere hat mich sofort gepackt. Heute baut man eng und effektiv, ein solches Raumgefühl ist schon lange nicht mehr alltäglich."

Zuerst als Musical-Theater geplant, wird es jetzt ein "Kunstkraftwerk"
Seit dieser Anfangszeit ist bei den Ambergers ein Mann im Boot, der von neuen Konzertsälen etwas versteht: der Bariton Thomas E. Bauer. Er hat im oberpfälzischen Blaibach einen viel beachtetes und akustisch hervorragendes Konzerthaus bauen lassen und damit die ganze Provinz kulturell belebt. Valery Gergiev wollte 2015 nach dem Stadtratsbeschluss zur Generalsanierung des Gasteigs in Aubing das Interimsquartier mit seinen Philharmonikern aufschlagen. Doch daraus wurde auch nichts, weil sich das Kulturreferat für den Standort in Untersendling am Flaucher entschied, der schon diesen Herbst eröffnet wird.
2016 dachten die Brüder Amberger noch daran, in ihrem Aubinger "Kulturkraftwerk" ein Musical-Theater zu errichten. Auch daraus wurde nichts. Und mit dem weiterhin geplanten Konzertsaal für das Symphonieorchester des Bayerishen Rundfunks im Werksviertel war ja auch endgültig kein Spielraum mehr für einen neuen, weiteren große Konzertsaal in München. So planten die Brüder Amberger seit 2017 wieder etwas anderes: das "Bergson Kunstkraftwerk", das sie jetzt begonnen haben zu bauen. Und der neue Name "Kunstkraftwerk" zeigt, dass jetzt von einem Konzertsaal nicht mehr die Rede ist.
Großprojekt mit einem Jazzkeller, Restaurant und Kunstgalerie
Vorgesehen ist "ein imposantes Atrium mit Bar, eine Bel Étage mit schönen Ausblicken und ein Restaurant mit Lounge und Bar. Im Untergeschoss des Gebäudes ist ein Jazzkeller geplant. In den oberen Etagen, oberhalb der stillgelegten Silos wird es eine Kunstgalerie und einen Salon geben", wie es in der offiziellen Mitteilung der Bauherren heißt: Diese Orte sollen "flexibel für vielfältige Event-Formate nutzbar" sein.
Mit dem Bauvorhaben - in Höhe von geschätzten 100 Millionen Euro - wurde das Münchner Architekturbüro Stenger2 beauftragt. Von ihnen kennt man in München vor allem den Umbau eines anderen Kraftwerks, des Heizkraftwerks Süd in Fürstenried Ost, das jetzt Zentrale des Möbelhauses Kare ist.
Eröffnung des "Bergson Kunstkraftwerks" ist für 2023 geplant
Die Eröffnung des "Bergson Kunstkraftwerks" in Aubing ist für den Herbst in zwei Jahren, also 2023, vorgesehen. Und: Im Anschluss daran ist dann doch auch noch ein bereits genehmigter Anbau mit einem Konzertsaal für 400 Zuschauer mitgedacht - eine Saalgröße, die in München für große Kammermusikkonzerte noch fehlt. Dazu passt auch, dass die Brüder Amberger an Thomas E. Bauer als künstlerischem Berater festgehalten haben. Uneitel haben die Brüder Amberger ihren Namen nicht bei der Namensgebung eingebaut: Das "Bergson Kunstkraftwerks" ist nach dem französischen Philosophen und Literatur-Nobelpreisträger Henri-Louis Bergson (1859-1941) und der nahegelegenen Bergsonstraße benannt.
Die städtebauliche Entwicklung des nahegelegenen "größten Neubauviertels Europas" - Freiham - ist sicher ein Pluspunkt für das neue Kulturzentrum, das auf ganz München ausstrahlen soll. Auch für Besucher aus Landsberg und Augsburg wäre das Areal gut erreichbar. Die S-Bahnhöfe Langwied und Aubing sind nicht allzu weit entfernt, das Parken wäre auch kein Problem und das Autobahnkreuz München-West in der Nähe. Bei alledem wollen die Ambergers, wie sie selbst sagen, die Außenarchitektur erhalten wie auch die Graffitikunst im Inneren. Selbst der Lebensraum der im Münchner Großraum nur noch dort beheimateten, geschützten Mopsfledermaus, soll berücksichtigt werden.