Prall gefüllte Bilder

Stefan Herheim inszeniert in Dresden eine sehr eigenwillige „Rusalka“, Intendantin Ulrike Hessler mischt die Semperoper auf und Bald-Dresdner Christian Thielemann plant schon eifrig mit
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Stefan Herheim inszeniert in Dresden eine sehr eigenwillige „Rusalka“, Intendantin Ulrike Hessler mischt die Semperoper auf und Bald-Dresdner Christian Thielemann plant schon eifrig mit

Manchmal hat der Winter auch sein Gutes, nämlich dann, wenn er gnädig die hässlichen Plätze einer Stadt mit einer weißen Schneedecke geradezu aufregend aufwertet. So schön die Frauenkirche im Sonnenlicht zu strahlen vermag, so wenig einladend ist nach wie vor die riesige Baustelle um sie herum.

Auch in diesen eher unfreundlichen Tagen kann sich die Residenzstadt an der Elbe über einen Mangel an Touristen nicht beklagen. Zu Bachs „Weihnachtsoratorium“ im wieder aufgebauten Wahrzeichen der Stadt drängelten sich die Besucher in Scharen. Der optische Eindruck, den der mit einem erwartungsfrohen Publikum gefüllte Kirchenraum vermittelt, überwältigt.

Meerjungfer zwischen Nonne und Nutte

Doch das Juwel für die Augen bietet den Ohren nur einen höchst fragwürdigen Genuss. Wie entspannt und engagiert der Kammerchor der Frauenkirche unter Kantor Matthias Grunert sang, war dank des überlangen Nachhalls allenfalls zu erahnen. Der Plan, hier ein weiteres Musikzentrum zu etablieren, mag höchstens ökonomisch reizvoll sein.

Seit Beginn dieser Saison ist Ulrike Hessler Intendantin der Semperoper. Sie hat sich eine Menge vorgenommen: Workshops, Kooperationen mit dem Staatsschauspiel, Tanzschwerpunkte, Junge Szene. Die erste Premiere, Henzes „Gisela“, bestätigt, dass sie es ernst meint. Mit Stefan Herheim zog sie sich einen Hausregisseur an Land, der ebenfalls nicht für bequemen Opern-Alltag steht.

Seine Inszenierung von Dvoráks „Rusalka“ ist eigenwillig, wenn auch nicht werkgetreu. Das Märchen wird aus der Perspektive des Wassermanns erzählt, der nicht einsehen will, dass seine Meerjungfrau fest entschlossen ist, zu den Menschen auszubüchsen.

Thielemann kann mit Herheim

Die Regie lebt vom Bild (Heike Scheele). Rusalka zeigt sich mal als Nonne, mal als Prostituierte, ihr Herr und Meister zumeist im Schlafanzug. Eine versenkbare, wasserdurchsprudelte Litfaß-Säule verlangt von den Akteuren turnerisches Talent. Sie befindet sich auf einem Platz, der auch für den zweiten Akt von Puccinis „La Bohème“ ein treffliches Ambiente abgeben würde. Das ist assoziatives Bildertheater, prall gefüllt, auf glamouröse Effekte bedacht, aber auch musikalisch dank der Staatskapelle unter Thomas Netopil und Tatiana Monogarova in der Titelpartie sowie Georg Zeppenfeld als Wassermann auf hohem, in vielen Momenten sogar höchstem Niveau.

Christian Thielemann hat bereits signalisiert, dass er „mit Herheim kann“. Was wohl auch wichtig ist für die zukünftige Zusammenarbeit. Verblüffend allerdings, dass schon die zweite Vorstellung nicht ausverkauft ist. Ulrike Hessler sucht noch nach den Gründen: „Die Kritiken waren hervorragend. Vielleicht liegt es daran, dass das Haus noch immer ein Busreiseziel auf Weltniveau ist. Wir sind zwar zu 90 Prozent ausgelastet. Aber der Anteil an Touristen mit etwa 60 Prozent ist deutlich zu hoch.“

Vielleicht bekommen die Dresdner ja etwas mehr Appetit, wenn Christian Thielemann endlich Einzug gehalten hat: „Seine nächsten Konzerte mit der Staatskapelle sind ausverkauft“, freut sich die Intendantin. Damit schon jetzt nichts ohne ihn geplant werden kann, wird es einen Vorvertrag geben. Eine Erfahrung konnte die Opernchefin schon machen: „Er sagt, was er denkt.“ Und was denkt er über München? Wahrscheinlich, dass das nun wirklich Schnee von gestern ist.

Volker Boser

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