Pop der Schwachköpfe
Luke Haines war in den 90ern mit The Auteurs beinahe richtig erfolgreich und hat mit „Bad Vibes“ eine gekonnt schlecht gelaunte Abrechnung mit dem Musikgeschäft geschrieben
Dass Luke Haines seine Lesung mit Bernd Begemann im Laab wegen einer Erkrankung seines Sohnes abgesagt hat, ist bedauerlich, ändert aber nichts daran, dass sein Buch unbedingt auf das Nachtkästchen aller gehört, die planen, Rock-Star zu werden. „Bad Vibes“ heißt es, im Untertitel: „Britpop und der ganze Scheiß“.
Haines war in den 90ern Kopf der Auteurs, einer britischen Band, die es trotz Kritikerlob nicht an die Spitze schaffte, auf dem Weg überholt von den Pulps und Blurs dieser Welt. Wenn Haines etwas kann, dann schlechte Stimmung verbreiten. Bei der Verleihung des Mercury Prize 1993 – den die Auteurs dann doch nicht bekommen – muss er sich von einem Overall die Hand schütteln lassen. „Der Besitzer des Overalls war der Schwachkopf vor dem Herrn: Sting. Ein Mann, der sich einzig und allein kraft seines unbändigen Ehrgeizes ganz nach oben gekämpft hatte und dabei gekonnt sämtliche albernen Gefühle von Vernunft oder Integrität über Bord geworfen hatte.“
Jämmerliche Trottel
Haines Sympathie für Kollegen und ihr Können hält sich in Grenzen. Das Album „Modern Life Is Rubbish“ von Blur ist für ihn ein „Mistding“. The Verve tauchen als „jämmerliche Trottel“ auf, Kurzform „Verve-Trottel“. Steve Albini gehört als einem der wenigen seine Achtung. Albini ist es auch, der ihm ein wunderbares Rock-Geschenk nach dem Tode von Lady Di macht. Elton Johns CD „Candle In The Wind“ – zusammen mit einem Hammer.
Haines selber ist kein Sympathieträger des Pop-Geschäfts, was Alkohol und diverse Drogen nicht besser machten. 1994 hatten ausgerechnet The Verve die Aufgabe, Haines aus den Fängen des schwedischen Zolls zu kaufen, nachdem der mit einigen Kleinstmengen zwischen Hasch und Mogadons bevorratet einreisen wollte. Haines hält nichts von Dankbarkeit und steht über jedem Schuldbewusstsein. Genauso wie in der darauf folgenden Nacht, als er mit einer Leuchtpistole von seinem Hotelfenster aus versucht, den Roadie von The Verve und Oasis abzuknallen. Auf einer desaströsen Tour durch Spanien springt er dann von einer hohen Mauer und zertrümmert sich beide Füße.
The Auteurs hatten unbestritten das Zeug für die große Rock-Karriere, würde das Business nicht nach seinen einfältigen Regeln funktionieren. Und als der Grunge begann, an Kraft zu verlieren, konstruierte sich in England mit Brit-Pop ein neuer Hype. Suede, Blur, Pulp, Oasis – für Luke Haines sind das letztlich alles nur Mitspieler, die willig und aus Erfolgsgier Erwartungen erfüllen. Haines drehte seinen eigenen Film Erstaunlicherweise aber lässt sich auch mit durchdringender RAF–Begeisterung und dem Album „Baader Meinhof“ seine Solokarriere nicht anschieben.
Christian Jooß
Luke Haines: Bad Vibes. Britpop und der ganze Scheiß. Heyne Verlag, 320 Seiten, 12 Euro