Pokern und glauben
„Die Kunst, das Geld und die Krise“: Chris Dercon vom Haus der Kunst diskutiert mit Thomas Girst von BMW über die wahre, gute und schöne Ware und vom Ruin bedrohte öffentliche Museen
Dezember 2009: Jeff Koons meldet Insolvenz an. Er hatte sich bei seinem neuen Projekt verhoben: eine Concorde aus Stahl nachzugießen und an Kränen über den Champs-Elysées baumeln zu lassen. Mit Koons geht auch seine Galerie Gagosian pleite.“ Leider eine fiktive Untergangs-Vision: Holger Liebs malt sie im Bändchen „Die Kunst, das Geld und die Krise“ (Verlag Walther König, 158 Seiten, 14 Euro) an die Wand. Das Buch versammelt sechs lesenswerte Essays über das „Wahre, Gute und Schöne“ als Ware im globalen Markt.
Der Kunsthistoriker Andreas Beyer erklärt, inwiefern die Wurzeln der heute wirksamen Markt-Mechanismen im 15. Jahrhundert liegen. Thomas Girst, Chefkommunikator bei BMW, darf sich als Schöngeist, der trotzdem rechnen kann, outen. Am ergiebigsten ist der Beitrag von Beat Wyss. Er kommt als Meister unterhaltsamer Zuspitzung erstmal zu dem Schluss, dass sich die Bildende Kunst im entfesselten Turbokapitalismus „überraschend gut“ behaupten kann: Weil sie „absolute Ware“ sei, ein „Fetisch, mit Geld aufgewogen“ und „unverwechselbares Original“.
Wie man Millionär wird
Wyss analysiert auch die Ausstrahlung der Kunst-Society: „Kulturell auffällig werden, bringt jeden Bankvorstand in die Klatschspalten.“ Darum wolle eine wachsende Heerschar junger Leute, die „Profit ohne Arbeit“ suche, Künstler werden: „Die Akademie gibt Nachhilfestunden fürs Glück, vielleicht Millionär zu werden. Die Jugend, die sonst arbeitslos wäre, wird mit Förderprogrammen in kreativen Wohlfühlräumen geparkt.“ Auch das Fazit ist eher deprimierend: „Wertsteigerung war einmal, heute wird gepokert.“ Und: „Wir alle werden zu Hofschranzen des internationalen Kunstkartells, Zeugen der Privatisierung des Kunstbetriebs.“
In die Kerbe schlägt auch Chris Dercon in „Indiana Jones und die Ruine des Privatmuseums“: Er ärgert sich über den Geltungsdrang von Sammlern, lobt zugleich das Erfolgsmodell „Public private partnership“ (sein Haus ist auch so eine Partnerschaft) – in Zukunft noch mehr zusammengeschweißt vom „Glauben“ an die Kunst. Und findet zwischen Ware und Wahnsinn ein Quentchen metaphysischen Trost.
Roberta De Righi
Heute, Mittwoch 19.30 Uhr, Bayerischer Hof, Eintritt 5 Euro
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