Poe trifft Marquis de Sade
Wohllautende Episoden des Bösen: Die Münchner Biennale für neues Musiktheater eröffnete mit "Maldoror" des jungen Komponisten Philipp Maintz
Ach, das Böse! Auf deutschen Stadttheaterbühnen erkennt man es leicht. Das dunkle Haar mit dämonischen Geheimratsecken nach hinten gegeelt, schreitet es düster blickend in schwarz glänzenden Kunstledermänteln einher.
In Philipp Maintz' Oper gibt es solcher Schurken sogar zwei. Der böse Dichter Lautreamont (Otto Katzameier) lässt seine satanische Kopfgeburt Maldoror (Martin Berner) auf die Menschheit los. Sie belästigt wie Johann Wolfgang von Goethe Erlkönig einen Knaben, meuchelt bei der Beerdigung dessen Eltern und verschwindet zu Soprangesang im metaphysischen Irgendwo.
Nach 90 Minuten führt das wenigstens zu einer Andeutung von Theater. Die Opfer des Bösen hängen wie tote Vögel im riesigen Hamsterrad-Käfig des Bühnenbildners Roland Aeschlimann. Davor diente es der hilflosen Regie von Georges Delnon nur als Projektionsfläche für den französisch gesungenen Text nach Lautreamonts "Gesängen des Maldoror".
Halbherzig
Diese einst skandalöse Dichtung von 1869 multipliziert Edgar Allan Poes schwarze Romantik mit dem Nihilismus des Marquis de Sade. Maintz und sein Textdichter Thomas Fiedler waren sich zu fein fürs Erzählen einer Geschichte. Sie hatten auch nicht den Mumm, die Handlung ganz auf den Müllhaufen der Operngeschichte zu schleudern. Diese Halbherzigkeit führte zum üblichen Kopftheater, bei dem singend viel geschwafelt, aber kaum etwas auf der Bühne gezeigt wird.
Die Musik allein ist das Beste dieser ersten Premiere der Musiktheater-Biennale: "Maldoror" beginnt mit einer düsteren Klangfläche, zu der die Sopranistin Marisol Montalvo die Tiefe des Ozeans besingt. Später untermalen gepresste Blech-Entladungen und glockenartige Schlagzeugeffekte den höchst wohllautenden Gesang. Die Streicher des Sinfonieorchesters Aachen unter Markus Bosch wirkten allerdings bei Kantilenen etwas unterbesetzt.
Maintz kann farbig instrumentieren. Er liebt Stimmen und verschmäht Ensembles nicht. Wenn er sich auch für Theater und das Leben jenseits literaturgeschichtlicher Papiergrüfte interessieren würde, könnte aus dem 1977 geborenen Aachener noch ein guter Opernhandwerker werden.
Robert Braunmüller