Plötzlich der scharfe Riss
„Habermann“ ist ein packendes Drama über Liebe, Freundschaft, Loyalität in Zeiten von brutalem Fanatismus. Dabei gelingt ein völlig ideologiefreier, spannender Blick auf die Wahrheit
Worauf kann man sich im Leben letztlich verlassen? Auf Liebe? Auf Freundschaft? Sie werden in „Habermann“ auf unfassbare Proben gestellt, die über Leben und Tod entscheiden.
Kurz vor dem Anschluss des Sudetenlandes 1938 heiratet der selbstbewusste Dorfhonoratior Habermann (Mark Waschke) eine Tschechin (Hannah Herzsprung). Man feiert fröhlich, manche wohlwollend, nur wenige skeptisch eine opulente Hochzeit – Symbol nicht immer konfliktfreien, aber letztlich friedlichen Zusammenlebens. Als dann die SS (als Offizier: Ben Becker, Interview in der Kino-Stadt) beginnt, die nicht deutsche Bevölkerung zu terrorisieren, glaubt Habermann lange, sich raushalten, dann vermitteln, letztlich Widerstand leisten zu können.
Weit über einem Betroffenheitsfilm
Aber die Gewalt- und Gegengewalt-Spirale ist nicht anzuhalten. Und – was „Habermann“ weit über einen Betroffenheitsfilm hinaushebt – die Triebfedern sind nicht nur die bekannten Nationalismus- und Fanatismus-Klischees. Sondern die Konfliktlinien verlaufen – viel spannender als nur zwischen bösen Nazis und tschechischen Opfern – nicht nur durch die Familien, sondern sogar durch die einzelnen Figuren. Wilson Gonzales Ochsenknecht spielt zum Beispiel einen jungen, verblendeten Soldaten, der durch seine grausamen Erfahrungen umdenkt.
So funktioniert „Habermann“ auf allen Ebenen: als Drama über den menschlichen Charakter wie als Geschichtsdrama, das aufwühlend die ganze Wahrheit auffächert. Als alles nach einer Zeit der Eskalation zusammenbricht, werden alle alten – eben auch persönliche – Rechnungen beglichen.
Worauf also ist letztlich Verlass? Vielleicht doch nur auf die dunkleren Triebkräfte: Opportunismus, Neid, Gier und Eifersucht.
Adrian Prechtel
Kino: Filmcasino, R: Juraj Herz B: Wolfgang Limmer n. d. Roman „Habermanns Mühle“ (D, CZ 104 Min.)
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