Peter Maffay: Das einnehmende Leistungsprinzip

Aus Siebenbürgen über „Sieben Brücken“ zu Deutschlands Sympathie-Rocker: Peter Maffay ist nach 40 Millionen verkauften Platten am Boden geblieben. Was ist sein Stil, sein Erfolgskonzept?
von  Abendzeitung

Aus Siebenbürgen über „Sieben Brücken“ zu Deutschlands Sympathie-Rocker: Peter Maffay ist nach 40 Millionen verkauften Platten am Boden geblieben. Was ist sein Stil, sein Erfolgskonzept?

Es war Sommer, es war heiß und das Glück war zum Greifen nah. Die Rolling Stones machten 1982 eine Tournee durch Deutschland, und weil die Konzertmacher den populärsten Musiker Deutschlands mit den meistverkauften Platten als Support-Act engagieren wollten, fiel ihre Wahl auf ihn: Peter Maffay. Der empfand: Euphorie. Es folgte: ein Debakel. Bereits beim ersten Konzert in Hannover, bei glühender Hitze, legten Maffay und Band mit ein paar langsamen Nummern los, darunter „Über sieben Brücken musst du gehn“. Die 60.000 Stones-Fans wollten nicht mit. Sie wollten rocken. Als Maffay das Wort „Schaukelpferd“ sang, hagelte es Eier, dann Tomaten, Bananen, Schuhe. Maffay war den Tränen nahe. Die Zeitungen lachten.

Vielleicht lässt sich das Phänomen Peter Maffay, besonders sein Verhältnis zum deutschen Publikum, am besten über eine Niederlage erklären. In seiner ganzen Breite entfaltet Edmund Hartsch in seiner jetzt erschienenen Biografie Maffays eigenes Waterloo. Doch es gibt auch, und das ist schon maffay-typisch, eine Moral von der Geschichte.

Denn die Verspotteten zogen ihr Ding durch, ließen auch die anderen fünf Konzerte über sich ergehen, bei denen die Stones-Fans sich einen Spaß daraus machten, die Häme zu wiederholen. Beim zweiten Konzert in München, immerhin, durfte die Band eine Zugabe spielen. Man hatte sich durchgekämpft. Es ging und geht weiter. So ist Maffay.

„Auf dem Weg zu mir“ lautet der Titel von Hartschs Biografie, ein über 400 Seiten starkes Buch, das der Pressebetreuer und Publizist nach mehr als 25 Interviews mit Maffay, Gesprächen mit Personen aus dessen Umfeld und Sichtung üppigen Foto-, Film- und Zeitungsmaterials innerhalb von 16 Monaten schrieb. Maffay stellte ihm dazu eine seiner alten Wassermühlen auf Mallorca zur Verfügung. Volle Konzentration. Keine Ablenkung. Die reine Maloche. Das muss Maffay gefallen haben, der in der Biografie als Workaholic erscheint, einer, der selten Urlaub nimmt, sich nie auf seinen Lorbeeren ausruht, weil das Musikgeschäft es auch nicht erlaubt. Von einem Kampf um Anerkennung erzählt Hartschs Werk, von einem Schlagerstar, der eigentlich Rocker sein will und erstmal nicht ernst genommen wird, weil seine Karriere mit einer Schnulze beginnt. Von der Frau des erfolgreichen Jung-Produzenten Michael Kunze 1969 im Musikkeller Song Parnass in Haidhausen entdeckt, durfte Maffay einen ersten Song aufnehmen. Die Single „Du“ entwickelte sich 1970 zum Sommer-Schlager Nummer Eins. Mit den ersten 100.000 Euro kaufte Maffay sich einen alten Mercedes, eine 650er Triumph, Schlangenlederklamotten. Später, mit noch mehr Geld, kam ein Haus auf Mallorca dazu. „Du“ war Segen und Fluch zugleich, und es gehört zu den außergewöhnlichen Charaktereigenschaften Maffays, dass er nicht stehen blieb wie andere Stars der 70er, deren Ruhm am Ende kläglich versiegte.

Die Wurzeln von Maffays unbedingter Willenskraft findet Hartsch in dessen Kindheit in Siebenbürgen. Vater Wilhelm Makkay, ein Büchsenmacher, schoss auch verbal scharf gegen die Securitate, die rumänische Geheimpolizei, die eine Ausreise der Familie zur Mutter in die USA zu verhindern suchte. Es folgte eine abenteuerliche Flucht nach Deutschland. Von der Heimat nahm Maffay die Erinnerung an die rumänischen Gebirge, Seen und Wälder mit. Ein Naturbursche ist er, in der Großstadt hat er nie lange gelebt. Die Erträge seiner Platten – 40 Millionen Tonträger hat er im Laufe seiner 40-jährigen Bühnenkarriere verkauft – hat er immer weiter investiert, sein Geld ruht genauso wenig wie er. In Tutzing ließ er sich 1982 ein hochmodern ausgestattetes Studio errichten, anliegende Häuser kaufte Maffay in den Folgejahren dazu. Er ist ein Macher, ein Getriebener, auch was seine musikalische Karriere angeht. Neue Ideen, die auch aus Launen heraus entstehen können, werden bis zum Ende durchgezogen. Sein Kinder-Projekt „Tabaluga“ entwickelte Maffay 1983 zunächst, weil sein Vertrag mit seiner damaligen Plattenfirma auslief und er ihnen noch ein Album schuldete. So was für Kinder würde da genügen. Die Drachen-Mär gehört heute zu seinen Haupteinnahmequellen, und auch hier baute er weiter, verquickte geschickt Erfolg und soziales Engagement, engagiert sich heute mit einer eigenen Stiftung in der Kinder- und Jugendhilfe. Auf Mallorca bei Pollença können traumatisierte Kinder sich zwei Wochen lang auf einem Bauernhof kostenlos erholen. Die Wandlung vom naiven, nach eigenen Angaben „unpolitischen Menschen“ zum politisch und sozial engagierten Wohltäter, der auch Antikriegslieder wie „Eiszeit“ singt, stellt Hartsch anschaulich dar, wobei längere zeitgeschichtliche Betrachtungen oft merkwürdig anmuten. Hier wird eher deutlich, wie die Geschichte an Maffay lange Zeit vorbeilief. Interessanter sind Hartschs Betrachtungen zur Entwicklung der Musikindustrie. Hier zeigt sich, dass Maffay auch die digitale Revolution, die Download-Krise überlebte, ohne sich jemals irgendwelchen Moden – Techno, HipHop, Elektro – zu unterwerfen. Seine Fans mögen ihn, kaufen treu seine Platten, gehen auf die Konzerte. Die Musik mag manchmal schlicht sein. Aber sie ist eingängig. Die Texte mögen nicht smart sein. Aber sie treffen die Gefühlslagen seiner Hörer. Maffays Linie führt zum Deutschrock, der ehrlich sein will und es vielleicht auch ist.

Seine Ausflüge in World-Music-Gebiete, seine „Begegnungen“ mit Musikern aus aller Welt hatten es da schwerer, ihr Publikum zu finden. Hier singt Maffay in Sprachen fremder Länder. Wobei gerade diese Projekte ihm die Anerkennung in der Musikbranche einbrachten. Noch in den Achtzigern plagten ihn die Anfeindungen von Kollegen: „Peter ist ein Jimmy Dean aus Wanne-Eickel, ein Prügelknabe mit Erleuchtungserlebnis", schreibt Heinz Rudolf Kunze in der Berliner „Tip" 1984. Heute zählt Maffay ihn zu seinen Freunden, genauso wie Udo Lindenberg, mit dem er jahrelang im Clinch lag, weil er drei Panik-Rocker regelmäßig für einige Zeit abwarb und für Platten und Konzerte einspannte.

Die Unruhe des Peter Maffay macht diese Biografie spannend, auch wenn Hertsch zu breit den Zeitkontext und die Lebensläufe von Maffays Musikern behandelt. Dem Kommen und Gehen von Bandmitgliedern, Produzenten, Managern steht Maffays Treue zu einigen Weggefährten gegenüber, etwa seinem langzeitigen französischen Keyboarder Jean-Jacques Kravetz. Auch der private Bereich steht im Zeichen des Unsteten. Drei Scheidungen hat Maffay hinter sich. Aber die Sehnsucht nach Harmonie und Kontinuität ist da. Maffay heiratet schnell, erweist sich aber in der Folgezeit als launenhaft und wenig bereit, sich Zeit fürs Private zu nehmen. Als die Ehe mit der ersten Frau Petra kriselt, fährt er mit ihr 1978 durch die Sahara. Es wurde ein anstrengender Wüstentrip, auch hier konnte er seinen Trieb zur Leistung nicht ausschalten. Maffay hat viel vor, manchmal zu viel. Ein Date mit dem Dalai Lama im Juli 2007 vergaß er angesichts eines vollen Terminkalenders.

Heute lebt er mit seiner vierten Frau und Kind meist in einer Finca auf Mallorca. Am 30. August feiert er seinen 60. Geburtstag. Vielleicht hat er seinen Weg und ein bisschen Ruhe gefunden. Es wäre Deutschlands großem Rocker zu gönnen. Michael Stadler

Michael Stadler

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