Perfekt gezwirbelte Kunst

Rampen-Diva Cecilia Bartoli singt die Philharmonie mit Vivaldi von den Sesseln – und hält durch bis kurz vor elf. Das muss dieser römischen Energiebombe erst einer nachmachen
Christa Sigg |
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Man weiß gar nicht wo man hinschaun soll vor so viel Giftgrün. Im Scheinwerferlicht glitzert selbst das Collier wie eine Diskokugel auf Speed. Und dann diese Augen! Blicke schleudert Cecilia Bartoli wie Kugelblitze in die Runde – weit hinten in Block P werden sie noch ihre Wirkung tun, so viel ist sicher. Während andere Stars sich vor aberwitzigen Bühnenszenarien aufpumpen, muss sich die römische Energiebombe nur in einen rasanten Bonbonfummel werfen und einfach sie selbst sein.

Geht's in die Hölle oder doch in den Himmel?

Dann läuft das wie geschmiert, legen sich sämtliche Musiker mächtig ins Zeug, lauscht eine gefüllte Philharmonie gebannt auf jeden einzelnen Ton. Egal, ob Opernfan oder nicht – und es sind an diesem Abend viele da, die klassische Kost ausschließlich mit der Bartoli konsumieren, sich voller Begeisterung selbst Raritäten einflößen. Und Vivaldis Arien gehören noch lange nicht zu den Gassenhauern der Oper. Wer kennt schon „La Silva” und „Catone in Utica”, „Andromeda liberata” oder „Agrippo”? Geschweige denn einzelne „Hits”?

Aber Cecilia wirft sich mit Verve in jedes einzelne dieser girlandenreichen Dramen. Als Caio („Ottone in villa”) platzt sie förmlich vor „Gelosia” – Eifersucht. Und man fragt sich nicht nur hier, ob’s gleich in die Hölle oder doch in den Himmel geht. Zu äußerster Perfektion hat sie ihre Kunst gezwirbelt. Klug genug geht sie nie aufs Ganze, zischt und gurrt lieber statt zu brüllen, verschattet rechtzeitig, um den nächsten Ton nur heftiger glänzen zu lassen.

Stimmakrobatik - fast bis zum Überschlag

Das bringt fein gedrechselte Manierismen mit sich. Aber die waren schon deutlicher zu vernehmen. Und ja, wer so viel kann, die Stimme immer wieder zu neuen Höchstleistungen drillt, will natürlich auch ernten, gibt Gas auf der Koloraturen-Achterbahn. Fast bis zum Überschlag. Und trotzdem gelingen vor allem die leisen Momente. Wenn sie als Irene („Bajazet”) die Grausamkeit ihres Gatten beklagt, ihr Leid in langsam gefrierende Schmerzenstöne dehnt, dann bleibt die Zeit stehen. Und würde sich da nicht der als Geiger so fabelhafte, aber leider auch springteufelnervöse Jean-Christophe Spinosi in einer Tour vor den Musikern verrenken, man könnte der Welt abhanden kommen.

Tatsächlich braucht das Präzisions-Ensemble Matheus keinen Animator, die Franzosen reagieren auf jede Regung der Bartoli. Sie hat ja einen Riecher für die ideale Entourage. Und klar, dass sich die selbst kurz vor elf begeistert auf die anspruchsvollsten Händel-Zugaben stürzt.

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