Pavarotti mit Erdbeeren
Opernfestspiele: „An Audience with Adrienne" von und mit Adrian Howells als Mitmach-Theater bei „under construction" auf der Probebühne des Nationaltheaters
Meistens macht bei Mitmachtheater niemand mit. Als Adrienne aufforderte, vom Wechsel geschlechtlicher Identität oder unglücklicher Liebe zu erzählen, berichtete eine Anwesende anrührend von einem peinlichen Erlebnis aus ihrer Jugend: Sie wurde sie von einem Mann geküsst, der ihr daraufhin das weibliche Innere seines Kleiderschranks offenbart habe.
Das Theaterwunder von „An Audience with Adrienne" muss man erlebt haben. Ein mißmutiger Statist im Barockostüm, Turnschuhen und wallender Allongeperücke führt die 25 Zuschauer in Adriennes Garderobe. Sie ist mit dem Wandteppich eines röhrenden Hirschs und anderem Kitsch geschmückt.
Ausgepumpter Magen
Die Gastgeberin macht erst einmal ihre Arbeit: Eine Statistin, die wie Anna Netrebkos hässliche Schwester ausschaut, wird auf die Bühne gescheucht. Dann reicht sie den Zuschauern Erdbeeren, Bier und Bowle. Zwischen den Geschichten aus ihrem Leben dürfen die Zuschauer einen Wolpertinger-Teller basteln, mit dem Operngucker Luciano Pavarotti im Fernseher betrachten und einer live gesungenen Arie lauschen. Adriennes Erzählungen handeln vom Kleidertausch und unerfüllter Liebe. Bei ihr mündete es ins Auspumpen des Magens mit anschließendem Gastspiel in der Psychiatrie.
Bei der Oper erwächst Gesang daraus. Das ist aber auch schon der einzige Unterschied. Für die Vorstellungen am 6. und 7. Juli um 21 Uhr gibt's noch ein paar Karten. Für alle, die es nicht schaffen, hilft nur eins: Beten, dass der mächtige Nikolaus im Intendanzbüro diese Perle vom Edinburgh Fringe Festival nächstes Jahr wieder in seinen großen Festspielsack steckt.
Robert Braunmüller
- Themen:
- Nationaltheater