Patricia Riekel: Man gibt sich bescheiden

Nach dem Aus des Burda-Titels "Amica": „Bunte“-Chefin Patricia Riekel über Mode, den Glamour-Faktor deutscher Politiker und People-Journalismus in den Zeiten der Krise
von  Abendzeitung

Nach dem Aus des Burda-Titels "Amica": „Bunte“-Chefin Patricia Riekel über Mode, den Glamour-Faktor deutscher Politiker und People-Journalismus in den Zeiten der Krise

Im sechsten Stock der Arabellastraße 27 hat Patricia Riekel ihr Büro. Hellgrün sind alle Möbel, überall stehen unzählige kleine Karl-Lagerfeld-Figuren. „Karl Lagerfeld ist mein Freund“, sagt „Bunte“-Chefin Riekel, die nach dem Aus der Burda-Frauenzeitschrift „Amica“ der neuen Burda Style Group vorsteht, die sämtliche Mode- und Frauenmarken des Verlags unter einem Dach bündelt.

AZ: Frau Riekel, mit was für einem Gefühl nehmen Sie von der „Amica“ Abschied?

PATRICIA RIEKEL: Es tut natürlich weh. Ich halte „Amica“ nach wie vor für eine wunderbare Zeitschrift und ich glaube, unter anderen Umständen hätten wir Erfolg gehabt – nicht nur ideellen, sondern auch materiellen.

Ist die Krise schuld?

Krise ist so ein schreckliches Wort. Damit wird heute alles entschuldigt. Es gibt noch eine Reihe anderer Entwicklungen, die hier Einfluss haben: beispielsweise die Marktübersättigung im medialen Bereich, aber auch eine Veränderung der medialen Gewohnheiten. Genau da ist „Amica“ hineingeraten.

Menschen interessieren sich immer für Menschen - auch in der Krise

Und eine Menge Leute haben ihren Job verloren.

Das macht es noch trauriger, denn es waren sehr gute Mitarbeiter. Aber ich denke, dass ein Großteil einen neuen Job finden wird.

Wie sehr spürt die „Bunte“ die Krise?

Auch wir müssen sparen, aber die Krise bringt „Bunte“ nicht ins Schlingern. Die tatsächlich verkaufte Auflage am Kiosk ist relativ stabil, die Anzeigen ebenfalls.

Hat die wirtschaftliche Lage Einfluss auf den Inhalt?

Die Menschen interessieren sich für andere Menschen, ob wir nun wirtschaftliche Not haben oder es uns sehr gut geht. Und die meisten Menschen interessieren sich eher für den Aufstieg als für den Abstieg. Sie sehnen sich nach optimistischen Persönlichkeiten, die zeigen, wie man sich im Leben durchsetzen kann.

Die aktuelle „Bunte“ hat Berlusconi auf dem Titel, Sarkozy und seine Carla sind auch im Heft. Wo bleiben die deutschen Politiker?

In jeder „Bunte“ berichten wir auch über deutsche Politiker. Wir liefern Politik von der menschlichen Seite. Deutsche Politiker können vielleicht nicht die Ehedramen eines Berlusconi liefern, aber es menschelt auch bei ihnen. Die aktuelle Ausgabe berichtet auch über Franz Müntefering und sein neues privates Glück.

Herr Seehofer hat uns ganz schön auf Trab gehalten

Deutsche Politiker erlauben uns aber nicht den privaten Einblick wie ihre Kollegen aus dem Ausland.

Herr Seehofer hat uns doch ganz schön auf Trab gehalten, oder? Herr Oettinger und Herr Wulff ebenso. Wenn sich christlich-soziale Politiker für eine Jüngere entscheiden, erregt das genauso viel Aufsehen wie der Rosenkrieg bei Berlusconi.

Eigentlich kann doch heute mit all den Castingssendungen jeder zum Star werden. Ist das gut für „Bunte“?

Man kann heute sehr schnell bekannt werden, ja. Aber kein Star. „DSDS“-Kandidaten sind meist wie Wunderkerzen, die hell brennen, schnell wieder erkalten und sich kein zweites Mal anzünden lassen.

Der Fall Nadja von den No Angels hat wieder einmal die Frage aufgeworfen: Über was darf man noch berichten?

Grundsätzlich ist das Persönlichkeitsrecht genauso wichtig wie die Pressefreiheit. Es heißt, Nadja wurde verhaftet, weil sie Männer mit HIV angesteckt haben soll. „Bunte“ hätte nie gewagt, darüber zu berichten, wenn es nicht sowieso bekannt geworden wäre. Denn das Leben dieser Frau ist nun vollkommen zerstört.

Meine Freunde sind in meinem privaten Zeugenschutzprogramm

Aber auch die „Bunte“ hat sich ja wohl nicht über das Caroline-Urteil Freude.

Unsere Leser interessieren sich dafür, wie Caroline von Monaco lebt; ob sie raucht, trinkt, shoppt oder sich toll stylt. Die Monegassen haben einen Teil ihres Privatlebens in die Öffentlichkeit gestellt, um einen Imagegewinn für Monaco zu erzielen. Wenn ich mich der Öffentlichkeit bediene, muss ich mir auch eine gewisse öffentliche Kontrolle gefallen lassen. Aber wir dürfen in Deutschland im Gegensatz zu Italien oder den USA nicht einmal Fotos der erwachsenen Kinder von Caroline zeigen. Wir dürfen nicht einmal schreiben, dass Carolines Tochter ein schönes Mädchen ist.

Sie sind Teil der Society, kann man unvoreingenommen über Menschen berichten, mit denen man befreundet ist?

Ich bin ganz sicher kein Teil der Society, auch wenn ich sie kenne und beobachte – allerdings nur als Journalisten. Ich habe nur einige wenige Freundinnen, die sehr prominent sind. Denn es stimmt, man kann nicht mit Menschen befreundet sein und gleichzeitig über sie schreiben.

Aber Sie berichten doch durchaus auch über Veronica Ferres und Barbara Becker.

Meine Freunde sind in meinem privaten Zeugenschutzprogramm, weil ich ein weiches Herz habe. Aber natürlich bin ich immer professionell, wenn es die Situation erfordert. Man muss dann sagen können: Es gibt einen allgemeinen Wissensstand über dich und über den müssen wir jetzt auch berichten.

Haben Sie eigentlich eine Idee, wie die „Bunte“ in zehn Jahren aussehen könnte?

Ich gehe davon aus, dass die Menschen sich auch in zehn Jahren für andere Menschen interessieren werden. Deshalb wird sich „Bunte“ auch in zehn Jahren nicht sonderlich ändern.

Wollen Sie dann auch noch „Bunte“-Chefin sein?

Natürlich, das Tolle am Älterwerden ist doch, dass man wie ein Computer mit immer mehr Information gefüttert worden ist. Und man versteht auch die Zusammenhänge besser als in der Jugend.

Würden Sie einem jungen Menschen noch raten, Journalisten zu werden?

Auf jeden Fall. Es wird zwar viel von Bürgerjournalisten und Leserreportern gesprochen, aber weder sie noch das Internet werden ausgebildete Journalisten überflüssig machen. Journalisten recherchieren, sammeln Fakten und analysieren Hintergründe. „Bunte“ wählt für die Leser einen bestimmten Ausschnitt der Welt aus.

Der Chauffeur holt mit dem Jeep den Garnelensalat

Nochmal zurück zur Krise, verändert sich mit ihr auch unser Verhältnis zur Mode?

Der Wunsch, schön auszusehen, ist universell und zeitlos. Wir werden uns immer über die Mode definieren. Vielleicht tragen wir ein Jahr lang jetzt mal keine goldbestickten Kleider. Bei den Autos ist das ähnlich, die Dame der Gesellschaft gibt sich umweltbewusst und bescheiden, fährt jetzt einen Fiat 500 oder einen Smart. Der Chauffeur aber holt ihr mit dem Jeep, der natürlich immer noch da ist, den Garnelensalat.

Machen Sie sich Sorgen, dass noch weitere Burda-Titel sterben könnten?

Überhaupt nicht. Der Verlag ist stark aufgestellt. Die Frauenzeitschriften „Bunte“, „Burda Modemagazin“, „Elle“, „Freundin“ und „Instyle“ sind jetzt in der Burda Style Group konzentriert. Wir haben unsere Kräfte gebündelt.

Ist Herr Markwort eigentlich eifersüchtig, weil es seinem „Focus“ wesentlich schlechter geht als der „Bunten“?

Würde ich mich mit Herrn Markwort in Konkurrenz befinden, hätte ich eine harte Zeit hinter mir. Denn als ich vor 13 Jahren „Bunte“ als Chefredakteurin übernahm, war „Focus“ die erfolgreichste Zeitschriftengründung, die es in Deutschland je gegeben hat. „Focus“ hat die Medienlandschaft verändert. Davon haben wir alle profitiert

Angelika Kahl

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