Paten, Priester, Päpste
Die Priester waren immer Freunde, und sie halfen, wo sie konnten – gewöhnlichen Kriminellen ebenso wie echten Mafiosi.” Francesco di Carlo berichtet von seinen eigenen Erfahrungen: Der 69-Jährige war einst einer der Mafiapaten Siziliens und herrschte über die Unterwelt der Stadt Altofonte.
„Die Priester wissen über alles Bescheid. Deshalb spielt in jedem Ort der Pfarrer neben dem Bürgermeister, dem Carabinieri-Chef und dem Mafiaboss eine entscheidende Rolle.” Wie viel Wahrheit steckt in dieser Aussage? Wie verhält sich die katholische Kirche gegenüber dem organisierten Verbrechen? Christian Gramstadt wagte sich zwischen zwielichtige Gesellen und heilige Männer. Das Erste zeigt seine Dokumentation „Ein Amen für die Mafia – Paten, Priester und der Vatikan” um Mitternacht.
Trotz des pikanten Themas spürte Gramstadt bei seinen Recherchen eine erstaunliche Offenheit der Beteiligten: „Alle haben Klartext geredet, egal von welcher Seite.” Zu seinen Gesprächspartnern zählten unter anderem der italienische Generalstaatsanwalt Roberto Scarpinato, Ex-Mafiaboss di Carlo, der Generalsekretär der italienischen Bischofskonferenz, Monsignore Mariano Crociata, sowie die beiden Priester Don Mario Frittitta und Don Luigi Ciotti, die sehr unterschiedliche Einstellungen zur Mafia haben.
Ciotti ist ein Kämpfer gegen das organisierte Verbrechen: Der Priester gründete 1995 die Anti-Mafia-Organisation „Libera”, die Schulen, Organisationen und informelle Gruppen vernetzt, um eine demokratische Gegenkultur zum organisierten Verbrechen zu schaffen. Den Auftrag dazu, so sieht er es selbst, hat er von ganz oben bekommen: „Jesus wollte Gerechtigkeit und die Freiheit der Menschen. Das ist Gottes frohe Botschaft.”
Ciotti ist nicht der einzige Priester, der sich offen gegen die Mafia ausspricht. Doch ihr Engagement ist nicht gänzlich ungefährlich: „Sie werden durchaus bedroht, aber da die Kirche eine fest verankerte Position in der Gesellschaft hat und auch viele Mafiosi tiefgläubig sind, kommt es selten zum Äußersten”, erklärt Gramstadt. „Aber man kann nicht sagen, dass sie besonderen Schutz genießen.”
Don Mario Frittitta dagegen zählt zu der Gruppe der „indifferenten Priester”, wie Gramstadt sie nennt: „Ich bekämpfe die Sünde, nicht die Sünder”, so lautet Frittittas Credo. Und so hatte der fromme Mann offenbar auch kein allzu großes Problem damit, jahrelang der untergetauchten Nummer zwei der Cosa Nostra, Domenico Raccuglia, die Messe zu lesen.
Die katholische Kirche pflegt auch von offizieller Seite her ein zwiespältiges Verhältnis zur Mafia. „Gott hat gesagt: ,Kein Mensch darf töten’. Und kein Mensch, keine Gemeinschaft oder eine Mafia darf dieses heilige Recht brechen”, sagte Papst Johannes Paul II. zu Lebzeiten. Sein Nachfolger Benedikt XVI. nannte die Mafia 2010 „eine Straße des Todes”. Und trotzdem liegen bis heute die Gebeine des Gangsters Enrico De Pedis in der Basilica di Sant’ Apollinare in Rom, begraben zwischen Bischöfen und Kardinälen.
Generalstaatsanwalt Scarpinato fasst die Situation lakonisch zusammen: „Es gibt ehrenwerte und korrupte Priester. Bibeltreue und kriminelle. Unsere Welt besteht aus Herrschern und Beherrschten. Frage also: Auf welcher Seite stehst du als Christ?”
ARD, Mittwoch, 10. August, 24 Uhr