Paten für den großen Erfolg

John Dickie und Roberto Saviano machten das Thema Mafia wieder bestsellerfähig – auf dem Buchmarkt werden die Nachfolger gesucht
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John Dickie und Roberto Saviano machten das Thema Mafia wieder bestsellerfähig – auf dem Buchmarkt werden die Nachfolger gesucht

Ob die Mafia auch am Buchmarkt verdient? Das kann man sich bei den geringen Renditemöglichkeiten zwar kaum vorstellen, aber immerhin hat sie den Marktwert ihres medialen Bildes erkannt. So überschwemmte die Camorra Neapels Kioske mit ihrer Raubkopie-Version des Erfolgsfilms „Gomorrha“ – Wochen vor dem offiziellen DVD-Start. Dass mittlerweile drei der Filmmafiosi wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung inhaftiert sind, ist nur ein winziger Hinweis auf die enge Verzahnung von Mafia-Alptraum und politischer Wirklichkeit in einem Land, das Berlusconi wählt.

Seit John Dickie („Cosa Nostra“) und Roberto Saviano („Gomorrha“) mit ihren Geschichten über das organisierte Verbrechen die Mafia wieder international in die Bestsellerlisten gebracht haben, gibt es einen regelrechten Boom der Enthüllungsbücher.

Dass Deutschland längst nicht nur Rückzugsort, sondern Operationsgebiet der Mafia ist, scheint in vielen Landeskriminalämtern eher Schulterzucken denn Aktivität auszulösen. Immerhin hat hierzulande unlängst die mutige Autorin Petra Reski in ihrem Buch „Mafia“ (Droemer) ein paar Spuren nach Deutschland verfolgt und dafür ganz unverblümte Drohungen erhalten.

Ihr Kollege Jürgen Roth liefert im Februar (bei Eichborn) einen weit umfangreicheren Schreckensbericht über das „Mafialand Deutschland“. Eine faktengesättigte Anklage gegen das Wegschauen und Unterschätzen einer längst global operierenden Verbrecherstruktur.

Auch Leoluca Orlando, furchtloser Mafia-Jäger und ehemaliger Bürgermeister von Palermo, hat seine Erkenntnisse noch einmal medial verwertet: In „Die Mafia“ (Herder) gibt er dem italienischen Journalisten Pippo Battagglia ein langes Interview, das von den Wurzeln der Cosa Nostra im 19. Jahrhundert bis zur Verhaftung des 43 Jahre lang abgetauchten Paten Bernardo Provenzano im April 2006 reicht. Trotz der leicht verplaudert anmutenden Atmosphäre ist dies ein gelungener Versuch, die Mentalität einer Gesellschaft greifbar zu machen, die allzu apathisch und schicksalsergeben die Umklammerung der Mafia zulässt.

Dem mausgrauen Kopf der Mafia, der jahrelang ein asketisches Leben in einem kleinen Stall führte und die Milliardengeschäfte mit per Hand weitergereichten, kurzen Befehlsnotizen lenkte, widmet sich Clare Longrigg in „Der Pate der Paten“ (Herbig), einer Studie über den unglaublichen Siegeszugs Bernardo Provenzanos vom Analphabeten aus dem legendären Bergdorf Corleone zum mächtigsten (und meistgesuchten) Mann Siziliens.

Nur John Dickie, der neben John Follains „The Last Godfathers“ mit „Cosa Nostra“ einen unverzichtbaren Grundstein für jede Anti-Mafia-Bibliothek gelegt hat, widmet sich in seinem neuen Buch den Sonnenseiten seiner langjährigen Recherchen über das organisierte Verbrechen: Denn „Delizia!“ (erscheint im März bei Fischer) erzählt die Geschichte der leidenschaftlichen Beziehung der Italiener zu ihrer Küche. Mit Sicherheit ein Genuss. Volker Isfort

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