Passion mit Wasserpfeife
Und Judas stiehlt ihm die Show: "Jesus Christ Superstar" im Prinzregententheater
Die Bühne aus grauem Granit sieht aus wie ein nicht zu Ende gebautes Mahnmal. Als ein Haufen bunt gekleideter Hippies auftaucht, eine Wasserpfeife auspackt und sich um Jesus schart, wird die Welt bunt, riecht nach Räucherstäbchen und „Carpe Diem“-Philosophie.
Andrew Lloyd Webbers Rockmusical über die letzten Tage Jesus Christus, der von einem desillusionierten Judas verraten wird, ist im Prinzregententheater als kindertaugliche Mischung aus der Johannespassion und dem Mel-Gibson- Film „Passion Jesus Christus“ ausgelegt. Nicht zu brutal oder ernst, aber düster genug – mit ein paar musikalischen Sonnenstrahlen. In der Inszenierung von Wolf Widder spielt das Ensemble der Staatsoperette Dresden Anja Hauptmanns deutsche Version des Stücks. Die Massenszenen mit wütendem Volk wirken auf der kleinen Bühne, auf der auch noch die fabelhafte Michael Fuchs Band mit kleinem Orchester Platz gefunden hat, tatsächlich unheilvoll: Von überallher tauchen graue Menschen auf.
Allerdings befindet sich Jesus auch seinen Anhängern gegenüber in einer schwachen Position: Hauptdarsteller Dirk Zöllner hat keinen guten Abend erwischt. Er klingt heiser und schafft es nicht, sein Stimmproblem durch Präsenz auszugleichen. Zu allem Überfluss trägt er auch noch ein weißes Outfit mit hellgrauem Pelzbesatz, in dem er jederzeit Brautpaare in Las Vegas trauen könnte. Vor allem Judas stiehlt seinem Antagonisten die Show. Er hat eine verblüffende Ähnlichkeit mit dem Sänger der Gothic-Metal-Band Oomph! und zeigt sich alleine durch das schwarze Styling mit Tattoo als Außenseiter. Matthias Otte gibt mit viel Charisma und großer Stimmkraft einen warnenden Judas, der befürchtet, die Situation könnte Jesus entgleiten. Auch Sarah Schütz als Maria Magdalena singt und spielt absolut betörend ihreWandlung von der grellen Prostituierten zur Trauernden. Diese beiden führen die starke Stimmleistung eines Ensembles an, mit dem jede einzelne Nebenrolle von Simon bis zu den Hohepriestern hervorragend besetzt ist. Das Ergebnis ist kurzweilig, aber auch recht konventionell – vielleicht wäre es 37 Jahre nach der Uraufführung sogar mal Zeit, die Hippie-Jünger durch eine neue Jugendkultur zu ersetzen.
Julia Bähr