Packende Isarmeile
Mads Mikkelsen kommt, Asien hat den besonderen Blick und Lateinamerika boomt filmisch: Das Programm des 28. Internationalen Filmfest München vom 25. Juni bis 3. Juli steht fest
Sie sind Jäger des zu bergenden Schatzes. Aber sie sitzen nicht mit Flinte auf Hochsitzen, sondern schlagen sich Nächte in Kinosesseln auf Festivals der ganzen Welt um die Ohren, bewaffnet mit dem Charme Münchens. Denn Produzenten und Regisseure müssen überzeugt werden, ihren Film – ohne Geld, dafür vor interessiertem Publikum – in München zu zeigen.
Welche Filme die Programmer um Festivalleiter Andreas Ströhl für das 28. Filmfest München an den Isarstrand gezogen haben, steht jetzt fest. Über 250 Filme verteilen sich auf ein Dutzend Reihen. Einer der größten – und merkwürdigsten – Coups ist im „Fokus Fernost“ gelungen. Der thailändische Goldene-Palmen-Gewinner mit dem schwer zu merkenden Namen Apichatpong Weerasethakul kommt nach München mit dem Siegerfilm „Onkel Boonmee, der sich an seine vergangenen Leben erinnern kann“.
Neue Spiritualität
„Nach Jahren der Beschäftigung mit dem Zusammenprall ihrer heimatlichen Kultur mit dem Turbo-Kapitalismus besinnt sich das Kino aus Ostasien jetzt stärker wieder auf die eigenen spirituellen Wurzeln, dem Verhältnis von Mensch und Natur“, erklärt Programmer Christoph Gröner eine Tendenz. Aber für einen Europäer ist der Film über die geisterhafte Verwandlung von Mensch in Tier ohne logischen Handlungsstrang schwer nachvollziehbar.
Fantastisch ist die Geschichte aus den „Visiones Latinas“: „Die Sünden meines Vaters“, eine Doku über den Sohn des größten Drogenhändlers der Geschichte – den Chef des Medellin-Kartells, Pablo Escobar. Der Sohn distanzierte sich von seinem Vater, tauchte unter und besuchte die Angehörigen der Politiker, die sein Vater erschießen ließ. Als er 1982 in Deutschland Asyl beantragte, schickte ihn die Kohl-Regierung aus Angst vor Verwicklungen mit Kolumbien wieder zurück – fast in den Tod. Escobars Sohn überlebte und kommt jetzt mit dem Regisseur des Dokumentarfilmes nach München.
Offizieller Schwerpunkt ist 2010 allerdings Indien – „Abseits vom kitschigen Bollywood-Film“, wie Ströhl verspricht und ruft „Indien an der Isar“ aus.
Kastrierte Isarmeile
Die „Isarmeile“, das Leinwand-Kompakt-Projekt von Festivalleiter Ströhl, ist wegen Inflexibilität des Deutschen Museums um die kurz vor dem Festival geschlossenen Forumkinos kastriert. Sie fehlen jetzt zwischen Rio und Gasteig am Rosenheimer Platz, CinemaxX und Filmmuseum. Die etwas verhauenen Museumslichtspiele sollen Teil-Ersatz leisten.
Weitere Reihen bilden traditionell die „Neuen Deutschen Kinofilme“ , in der auch der Cannes-Beitrag „Unter Dir die Stadt“ des Filmemachers Christoph Hochhäusler gezeigt wird. Bei den „Deutschen Fernsehfilmen“ gibt es einen Nah-Science-Fiction „2030 – Aufstand der Jungen“ in Berlin oder eine Niederbayern-Krimi-Tragikomödie mit Sigi Zimmerschied von Max Färberböck, „Sau Nummer Vier“.
Dass sich Kino spannend in Politik einmischen kann, zeigt das „Internationale Programm“, in dem sich unter anderem Italien filmisch gegen Berlusconi wehrt („Videocracy“/„Draquila“), und ein Russe unter Lebensgefahr gegen Putins Methoden (und bezichtigt das ZDF der Kollaboration: „Russian Lessons“).
Mads Mikkelsen bekommt als Schauspieler und der Iraner Abbas Kiarostami als Regisseur den diesjährigen CinéMerit Award. Und der eisenharte Österreicher Ulrich Seidl die Regie-Retrospektive. Das gesamte Programm ist ab heute auch im Internet abrufbar.
Adrian Prechtel
www.filmfest-muenchen.de, Kartenvorverkauf im Internet ab 14.Juni. Ab Donnerstag, 17.6., Vorverkauf im Gasteig